Die Unfallfolgen waren schon gravierend: Ein 12-jähriger Radfahrer war von einer untergeordneten Straße auf eine Landstraße nach rechts abgebogen. Nur wenige Meter später wurde er von dem Fahrzeug des Beklagten erfasst, der mit der rechten Vorderfront des Fahrzeugs auf den Hinterreifen des Fahrrades auffuhr, wodurch der Kläger über den rechten Bereich der Motorhaube und die rechte A-Säule sowie den rechten Dachbereich vom Fahrzeug aufgeladen wurde und schließlich 23 m hinter dem Einmündungsbereich im rechten Bereich der Fahrbahn liegen blieb, so die Feststellungen des Gerichts. Er erlitt ein geschlossenes Schädel-Hirn-Trauma mit entsprechenden Dauerfolgen.

Der Leitsatz des Saarländischen Oberlandesgerichts, das den Fall zu entscheiden hatte: Stehen sich in der Abwägung der Mitverschuldensanteile die einfache Betriebsgefahr des unfallverursachenden PKWs und das einfach fahrlässige Verschulden eines erst 12 Jahre alten Radfahrers gegenüber, besteht im Regelfall kein Anlass, die Haftung des Halters auf eine Quote von weniger als 50% zu beschränken. (Urteil vom 24.04.2012, Aktenzeichen 4 U 161/11 – 40)

In der ersten Instanz hatte das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen, weil es den Unfall für den KFZ-Fahrer als unabwendbares Ereignis wertete. Dem Widersprach nun das Oberlandesgericht. Im wesentlichen ist es der Meinung, dass das Landgericht das unabwendbare Ereignis juristisch falsch bewertet hätte. Ein unabwendbares Ereignis führt nicht dazu, dass die Haftung gemäß § 7 StVG entfällt. Auch auf der Ebene der Haftungsabwägung gebe es keinen rechtskonstruktiven Weg, um den Rechtsgedanken des § 17 Abs. 3 StVG auf die Haftungsabwägung nach § 254 BGB zu übertragen, so die Richter. Dies ergebe sich bereits aus den Gesetzesmaterialien zur Reform des § 7 StVG.

Zum anderen hielt der Senat es auch nicht für erwiesen, dass ein unabwendbares Ereignis vorliege. Zwar sei ein Verschulden des Kraftfahrzeugführers nicht nachgewiesen, Das führe aber nicht dazu, dass damit auch ein unabwendbares Ereignis erwiesen sei.

Zuvor hatte der Senat noch ausgeführt, dass ein Schild mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung (hier auf 70 km/h) mit dem Zusatzschild „Gefährliche Einmündungen“ nicht dazu verpflichtet, ohne besondere Anhaltspunkte die Geschwindigkeit unter die beschränkte Höchstgeschwindigkeit zu verringern.

Zur Haftungsverteilung führt der Senat folgendes aus:

In der Zusammenschau stehen sich die allgemeine Betriebsgefahr des vom Beklagten gesteuerten PKW und das fahrlässige Verhalten des Klägers gegenüber. Mit Blick auf das jugendliche Alter des Klägers, der zum Zeitpunkt des Unfalls erst 12 Jahre alt war, und unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention, mit der Reform des § 7 StVG insbesondere die Rechtsstellung hilfsbedürftiger Verkehrsteilnehmer zu verbessern, war die Haftung der Beklagten aufgrund des Mitverschuldens des Klägers auf eine Quote von 50% zu beschränken.

Angesichts der gravierenden Unfallfolgen ist das Urteil für die Beklagte Haftpflichtversicherung eine teure Angelegenheit.