Immer, wenn ich Mediation bei Anwälten vorgestellt habe, kamen schnell einige Rechtsanwälte und meinten im Brustton der Überzeugung, dass das ja alles nur alter Wein in neuen Schläuchen sei und außerdem machen sie das doch schon immer! Klar, auch Rechtsanwälte verhandeln und schließen Vergleiche. Wo ist der Unterschied?

Kenny Aina, ein Rechtsanwalt und Mediator aus Lagos/Nigeria hat es in einem Artikel auf dem Kluwer Mediation Blog auf den Punkt gebracht:

1. Anwälte sind lösungsfixiert
Rechtsanwälte werden normalerweise dafür bezahlt, dass sie die Probleme ihrer Mandanten lösen. Sie lauschen daher ihren Mandanten mit einer analytischen Einstellung und arbeiten sofort gedanklich an einer Lösung.  Sobald er eine Lösung gefunden hat, teilt er sie sofort dem Mandanten mit und beginnt sie umzusetzen. Das hat er gelernt und das zeichnet ihn als guten Anwalt aus. Anders in der Mediaiton. Der Mediator lauscht den Klienten vorurteilsfrei und ohne das Ziel, das Problem der Klienen zu lösen. Er versucht die hinter dem Problem stehenden Interessen des Klienten herauszufinden mit dem Ziel, ihnen zu helfen, selbst eine Lösung zur Verwirklichung dieser Interessen zu finden. Diese Interessen müssen nicht notwendigerweise wirtschaftliche Interessen sein, auch wenn sie oft so verkleidet werden.

Der Mediator muss hinter die rechtlichen Argumente und wirtschaftlichen Anforderungen schauen um dort manchmal (oder sehr oft) persönliche Interessen zu finden, ohne deren Berücksichtigung eine Lösung nicht möglich ist. Der Mediator muss sich bewusst sein, dass er nicht als Berater zur Lösung der Probleme der Klienten beauftragt wurde sondern als Vermittler, der beiden Parteien hilft, eine für beide Seiten annehmbare Lösung zu finden. Diese Lösung muss nicht nach dem Empfinden des Mediators fair sein aber akzeptabel für die Parteien und umsetzbar. Er muss auch darauf achten, dass der Prozess der Mediation immer im Sinne der Klienten abläuft. Kurz: Der Mediator muss akzeptieren, dass er die Kontrolle über die Lösung abgibt und die Klienten auf ihrem Weg zu einer Lösung nur begleitet.

2. Je schneller je besser
Der anwaltliche Vergleichsverhandler hat ein klares zeitliches Konzept und sucht zu einem schnellen Abschluss zu kommen. Die Seelenmassage der Mandanten erfolgt in der Regel erst am Ende, wenn es darum geht, die vom Anwalt als gut erkannte Lösung auch beim Mandanten durchzusetzen. (Von Richtern kennen wir es ja, dass erst einmal beide Parteien niedergemacht werden, damit sie für den Vergleich weichgekocht werden). Anders in der Mediation. In der Tat geht es manchen Mediationsklienten zu langsam. Sie wollen den Punkt der Konflikterhellung am liebsten überspringen und sofort über Lösungen verhandeln. Die meisten Verhandlungen bestehen aus vorgefertigten Positionen oder Ansprüchen, die die beste Lösung für ihre Seite darstellen aber die Interessen und Wünsche aller Beteiligten berücksichtigen. Der Mediator darf nicht in diese Falle geraten und die schnelle Lösung unterstützen. Er muss die Parteien durch den Mediationsprozess führen und sicherstellen, dass die Parteien selbstbestimmt und freiwillig ihre eigene Konsenslösung finden.

Auch in meiner Ausbildung zum Mediator war es einer der schwierigsten Punkte für mich, zu lernen, den Mund zu halten und den Parteien zuzuhören. Und es war für mich als Anwalt schwer, die Lösung, die ich ja sofort im Hirn entwickelt hatte , nicht kund zu tun sondern die Lösungsfindung den Parteien selbst zu überlassen. Ich bin da manchmal fast an dem erstickt, was ich nicht gesagt habe. Aber es hat sich in der Regel gelohnt.

Deshalb: Vergleiche verhandeln  als Anwalt ist etwas ganz anderes als als Mediator ein Mediationsverfahren zu begleiten.