Immer, wenn Mediation angepriesen wird, liest man, dass es darum geht, dass beide Parteien gewinnen (win-win-Ergebnis). Aber was heißt das eigentlich konkret und ist das immer möglich?

Voraussetzung für ein Win-Win-Ergebnis ist, dass es sich nicht um einen reinen Verteilungskonflikt handelt. Wenn sich die zwei Schwestern um die einzige verbliebene Orange streiten, so ist das ein reiner Verteilungskonflikt, vorausgesetzt, es geht beiden wirklich darum, die Orange zu schälen und das Fruchtfleisch zu essen. Da keine Möglichkeit (zumindest in dem Beispiel) besteht, sich anderswo noch eine zweite Orange zu besorgen, kann das Ergebnis allenfalls ein Kompromiss sein. Das nennt man Nullsummenspiel: Der Gewinn der einen Seite entspricht dem Verlust der anderen Seite, die Summe ergibt immer Null.

Man könnte natürlich die Sichtweise darauf auch ein wenig ändern: Wen der eine mehr bekommt, als seine Nichteinigungsalternative, hat er ja einen Gewinn gemacht. Ebenso hat die andere Seite auch einen Gewinn gemacht, wenn sie weniger geben muss, als bei der Nichteinigungsalternative. Aber das ist mit Win-Win nicht gemeint.

Aber nicht alles, was uns so vorkommt, ist ein Verteilungskonflikt. Denn wenn man das berühmte Orangenbeispiel weiterspinnt, so stellt sich bei der Frage nach den hinter dem Wunsch nach der Apfelsine stehenden Interessen heraus, dass die eine Schwester Orangenschale für den Kuchen braucht und die andere Orangensaft trinken will. Es zeigt sich durch die Aufspaltung des Streitgegenstands Orange in die Bestandteile Fruchtfleisch und Schale, dass es sich nicht um einen Verteilungskonflikt handelt, es ist ein Scheinkonflikt. So schön geht das leider in der Realität meist nicht.

Voraussetzung für einen Kooperationsgewinn (sprich Win-Win-Ergebnis) ist, dass nicht nur ein Streitgegenstand vorhanden ist, sondern mehrere (indem man andere Themen hinzunimmt, wie etwa im Fall der arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzklage die Abfindung oder aber den Streitgegenstand aufteilt wie im Orangenbeipiel).

Siegfried Rosner und Andreas Winheller (Mediation und Verhandlungsführung 2012) haben das Win-Win-Ergebnis wie folgt definiert:

Ein Win-Win-Verhandlungsergebnis liegt dann vor, wenn die Parteien durch die Nutzung von Wertschöpfungspotenzialen einen „Verhandlungsmehrwert“ erwirtschaftet haben, also der geschaffene Verhandlungswert beider Parteien zusammengenommen größer ist als bei einem anderen möglichen Verhandlungsergebnis in der ZOPA (Zone of possible Agreement), und wenn alle Verhandlungsparteien das Ergebnis für akzeptabel halten.

Dies funktioniert wie gesagt nur bei mehreren Verhandlungsgegenständen und wenn die Präferenzen der Beteiligten für die verschiedenen Verhandlungsgegenstände unterschiedlich sind. In unserem Orangenbeispiel gab es dann zwei Verhandlungsgegenstände, die Orangenschale und das Fruchtfleisch, und die Präferenzen waren unterschiedlich, die eine legte Wert auf die Schale und keinen Wert auf das Fruchtfleisch, bei der anderen war es umgekehrt. Nur so kann es zu einer Win-Win-Lösung kommen.

Die unterschiedlichen Präferenzen der Beteiligten kann man nur auf der Interessenebene herausfinden. Deshalb die Frage nach den hinter dem geltend gemachten Anspruch.

Deshalb ist es auch sinnvoll, im Rahmen einer Mediation zunächst einmal die verschiedenen Verhandlungsgegenstände zu definieren und die Komplexität aufzulösen, indem man das Problem in die einzelnen Teile zerlegt. Bei der frage der Lösungsfindung sollte dann aber eben nicht über jeden einzelnen Streitpunkt getrennt verhandelt werden, weil man so wieder beim Verteilungskonflikt landet. Hier ist es dann sinnvoll, verschiedene Streitthemen zu bündeln um Präferenzunterschiede bei den einzelnen Elementen zu nutzen.

So kann Kooperationsgewinn entstehen.