mediationDie Phase der Konfliktdarstellung ist nach der Einleitung die erste richtige Station der Konfliktbearbeitung in der Mediation. Die Mediandinnen und Medianden rhalten nun die gelegenheit, den Konflikt und dessen bisherigen Verlauf aus ihrer jeweiligen Sicht darzustellen und die jeweilig andere Mediandin/Mediand hören zu und sollen (dafür sorgt die/der Mediator/-in) die/den anderen Mediandin/Medianden nicht unterbrechen sondern bis zu Ende ausrecden lassen. Das fällt mancher/m Mediandin/Medianden schwer.

Und wozu das Ganze? Ziel ist nicht, dass sich die Medianinnen/Medianden gegenseitig von der Wahrheit ihrer eigenen Sichtweise überzeugen. Es geht vielmehr darum, dass die Mediandinnen/Medianden begreifen, dass jede(r) seine eigene, ganz individuelle Sichtweise hat, die (höchstwahrscheinlich) von der eigenen Sichtweise abweicht, wenn nicht sogar das Gegenteil darstellt. Es geht auch darum, deutlich zu machen, dass diese Abweichenden Sichtweisen nichts damit zu tun haben, dass eine(r) die Unwahrheit sagt, sondern dass diese Unterschiedlichkeit normal ist.

Es ist mittlerweile wohl wissenschaftlich gesichert, leider den meisten Menschen völlig unbekannt, dass unsere Erinnerung mit der Wahrheit (sofern es eine solche überhaupt gibt) nur marginal etwas zu tun haben. Wer das nicht glaubt, sollte die Untersuchung der Universität Bedfordshire lesen. Dort ist es Psychologen gelungen, Probanden durch „suggestive Erinnerungs-Rückgewinnung“ dazu zu bringen, dass sie eine fiktive, angeblich in der Jugend begangene Straftat gestanden und sich zunehmend präziser daran erinnerten. Immerhin 70 % der Probanden glaubten, sie hätten in ihrer Jugend eine Straftat (z.B. Diebstahl, Raub) begangen und gaben einen detaillierten Tatbericht.

Wer weiß, dass nur ein minimaler Bruchteil dessen, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen, im Bewusstsein ankommt, wundert sich nicht mehr, dass es keine übereinstimmende Wirklichkeit zweier Personen geben kann. Die Wahrnehmung ein und desselben Vorfalls wird immer völlig unterschiedlich sein. Es ist daher gauso sinnlos, über Wirklichkeiten zu streiten wie über Geschmacksfragen.

Es kann daher nur so sein, dass wir die Reise ins Abenteuerland der Wirklichkeit des Anderen unternehmen, indem wir ihr/ihm zuhören und uns in seine Wirklichkeit eindenken. Viele emotional aufgelandene Konflikte können bereits dadurch gelöst werden, dass die Streitenden erkennen, dass sie nur unterschiedliche Wahrheiten haben, die sich nicht gegen die/den Anderen richten. Zumindest hat man dann eine Basis, auf der man die Interessen der Streitbeteiligten herausfinden kann.