GerfriedEine über 80 Jahre alte, aber geistig noch sehr rüstige Nachbarin, die allein noch ein eigenes Geschäft mit exklusiven Lampen betreibt, fragte mich kürzlich um Rat in einem Rechtsstreit, in den sie verwickelt war. Nicht nur, dass ihre Anwältin ihr zu einem Vergleich geraten hatte, der für die Nachbarin teurer war durch die Vergleichsgebühren sebst unter Berücksichtigung der ersparten Gerichtskosten, als wenn sie den Anspruch der Gegenseite anerkannt hätte. Um dem Wunsch nach Arbeitsersparnis dem Vergleichsabschluss nachdruck zu verleihen, hatte das Gericht für den Fall der Ablehnung des Vergleichs die Einholung eines Sachverständigengutachten beschlossen und einen völlig übersetzten Vorschuss von 2.000 EUR angeordnet (es ging lediglich um Mängel beim Einbau eines Fensters und der Streitwert lag nur bei knapp 2.500 EUR).

Das Sachverständigengutachten wurde dann eingeholt (wobei die Anwältin der Nachbarin etwas beleidigt schien, weil die Mandantin den Vergleich nicht akzeptiert hatte) und der Prozess ging dann doch zumindest ein wenig besser aus, als der vorgeschlagene Vergleich. Als nun der Kostenfestsetzungsbeschluss kam, war die Nachbarin über die Höhe der Gerichtskosten, die ausgeglichen wurden, erstaunt und bat um Übersendung der Rechnung des Sachverständigen. Das Amtsgerich brauchte nur etwas über 6 Wochen, um die Rechnung zu übersenden (ist ja auch ein zeitwaufwendiger Vorgang).

Wir staunten nicht schlecht über die Rechnugn des Sachverständigen, der ganz offensichtlich seine Rechnung an dem eingeforderten Vorschuss orientiert hatte und nun 1.900 EUR für sein Gutachten verlangte. Auf der Rechnung war auch ein Stempel „geprüft“ des zuständigen Kostenbeamten. Offenbar hatte der aber gar nichts geprüft, weil das Geld ja da war. Anders ist es nicht zu erklären, dass eine solche völlig unplausible Rechnung des Sachverständigen durchgewunken wurde (bei Anwälten prüfen sie jede Kopie, aber da zahlt ja auch die Staatskasse).

Allein für das Lesen der Gerichtsakte und Ladung der Parteien zum Termin setzte der Sachverständige mit 5,5 Stunden an. Die Akte bestand aus ca. 5 nicht umfangreichen Schriftsätzen und einem Protokoll einer mündlichen Verhandlung mit einer Zeugenaussage. Ich hätte die Akte in noch nicht einmal 20 Minuten gelesen. Inklusive der Ladung der Parteien zum Ortstermin wären 1 Stunde schon reichlich gewesen. Das fällt dem Kostenbeamten nicht auf, der ja den Umfang der Akte kennt.

Für den Ortstermin rechnet sich der Sachverständige 4 Stunden ab. Der Termin hat ca. 1,5 bis 2 Stunden gedauert. Einschließlich Anfahrt und Vor- und Nachbereitung wären hier 2 Stunden dicke ausreichend gewesen.

Dann aber der Hammer: Für die Ausarbeitung des Gutachtens will der Sachverständige 10 Stunden aufgewandt haben. Das war ein Gutachten mit 6 Seiten mit Fotos, darin mehr als 1 Seite nur die Formalien. Es war ein völlig einfaches Gutachten ohne schwierige Fragestellung. 2 Stunden hierfür zu berechnen wäre mehr als ausreichend gewesen. Dass der Sachverständige mehr als eineinhalb Stunden pro Seite Gutachten gebraucht haben will, fällt dem Kostenbeamten nicht auf.

Ich bin mal gespannt, was das Amtsgericht und der Sachverständige nun zu den Einwendungen der Nachbarin sagen. Offenbar meinen sie alle, mit einer achtzigjährigen Frau kann man es machen.