Ich hatte hier bereits auf den Roland-Rechtsreport 2017 Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass es der Mediation (bzw. den Mediatorinnen und Mediatoren) nicht gelungen ist, das schwindende Vertrauen in die Justiz für das Mediationsverfahren zu nutzen.

Schauen wir uns die Zahlen hinsichtlich des Vertrauens in die Justiz im Roland-Rechtsreport einmal näher an:

80 % der Befragten sind der Meinung, dass Gerichtsverfahren zu lange dauern (2010 waren es nur 74 %). Leider stellt das Bundesjustizministerium derzeit nur die Zahlen bis 2015 zur Verfügung. Bei den Amtsgerichten hat sich demnach von 2010 bis 2015 die Verfahrensdauer von 4,7 Monaten auf 4,8 Monate verlängert. Das sind gerade einmal 3 Tage! Bei den Landgerichten in der ersten Instanz verlängerte sich die Verfahrensdauer von 8,1 Monaten auf 9,9 Monate, das sind immerhin 1,8 Monate bzw. 54 Tage länger. (In diesem Zusammenhang darf man auch fragen, ob die Richter fauler geworden sind, da die Belastung pro Richter mit neuen Verfahren von 2010 von 609,2 Akten auf 572,1 Akten im Jahre 2015 beim Amtsgericht und beim Landgericht von 172,2 Akten auf 157,2 Akten gesunken ist) Die gefühlte Länge von Gerichtsverfahren ist daher weit größer als die tatsächliche Dauer.

Immer noch 62 % der Befragten ist (meiner Meinung nach zu Unrecht) der Meinung, dass derjenige, der sich einen bekannten Anwalt leisten könne, eine bessere Chance auf ein günstigeres Urteil habe (2015 waren es noch 65 %).

Vernichtend ist meiner Meinung nach, dass lediglich 23 % der Befragten der Meinung sind, die Gerichte arbeiteten gründlich und gewissenhaft (2010: 29%). Noch schlimmer ist, dass ebenfalls nur 23 % der Befragten der Meinung sind, bei den deutschen Gerichten könne man sich darauf verlassen, dass alles mit rechten Dingen zugehe (2010: 25%). Das bedeutet, dass eigentlich drei Viertel aller Deutschen der Meinung sind, bei den deutschen Gerichten wird geschlampt und gemauschelt!

Und trotzdem vertrauen die Befragten (die für die erwachsene deutsche Bevölkerung repräsentativ sein soll) noch den Gerichten weit mehr als einem Mediationsverfahren, das erfahrungsgemäß weit weniger in Anspruch genommen wird als ein Gerichtsverfahren.

Obwohl 48 % der Befragten ein Mediationsverfahren einem Gerichtsverfahren bevorzugen würden (nur 19 % würden ein Gerichtsverfahren wählen), ist das tatsächliche Verhalten eher gegenteilig. Ähnlich war es bei der Befragung von Rechtsabteilungen in der Wirtschaft. Dort wurden die Vorteile der Mediation nach eigenen Verhandlungen am höchsten bewertet, tatsächlich aber nur sehr selten in Anspruch genommen.

Letztlich vertrauen daher die Deutschen doch lieber dem als unzulänglich bewerteten Justizsystem als der Mediation. Offenbar besteht doch noch höheres Vertrauen in das Gerichtsverfahren mit all seinen Mängeln.

Ein Grund dürfte sein, dass den meisten Bundesbürgern noch über keine Erfahrungen mit Mediation verfügen, eine Risikoeinschätzung, was kommt in einem Mediationsverfahren auf mich zu, nicht möglich ist. Dass 69 % der Befragten bereits von Mediation gehört haben, bedeutet nicht, dass sie wissen, was Mediation ist und wie eine Mediation durchgeführt wird. Demgegenüber besteht in das Justizsystem immer noch ein Systemvertrauen (wenn man vielleicht auch dem einzelnen Richter nicht traut). Ist aber ein Erfahrungswert nicht vorhanden (seien es eigene Erfahrungen oder Erfahrungsberichte von anderen), so kann Vertrauen nicht entstehen. Dann kann Mediation nur eine (vage) Hoffnung vermitteln.

Es bedarf daher der Kommunikation, um Kenntnisse über Mediation zu vermitteln, nicht nur die Hoffnung auf Win-Win-Ergebnisse zu verbreiten, an die man im Konfliktfall nicht glauben kann. Ansonsten wird halt, wie es tatsächlich geschieht, die schlechtere aber bekanntere und damit vermeintlich sicherere Alternative genommen.