In der neuen Zeitschrift für Konfliktmanagement bin ich auf das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26.01.2017 (11 U 4/16) gestoßen. Es geht um die Haftung einer Anwaltsmediatorin. Ein scheidungswilliges Ehepaar wandte sich an die Anwaltsmediatorin, weil sie sich einvernehmlich und kostengünstig scheiden lassen wollten. Die Mediatorin schloss mit den Eheleuten einen Mediationsvertrag und forderte u.a. die Rentenversicherungsnummern und eine Vollmacht zur Einholung von Auskünften bei den Rentenversicherungsträgern an, die sie auch erhielt. Allerdings holte sie zunächst keinerlei Auskünfte ein.

Etwa ein Jahr später sollte von einer Rechtsanwältin, mit der die Mediatorin offenbar recht gern zusammenarbeitete, der Scheidungsantrag für den Ehemann gestellt werden. In dem Termin in der Mediationskanzlei war die Anwältin verhindert und die Mediatorin erhob alle notwendigen Daten für den Scheidungsantrag. Vieles spricht auch dafür, dass sie selbst den Scheidungsantrag verfasste, der von der Rechtsanwältin eingereicht wurde. In diesem Scheidungsantrag ist davon die Rede, dass der Zugewinnausgleich einvernehmlich geregelt sei und hierbei auch der Versorgungsausgleich berücksichtigt worden sei. Deshalb solle der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt werden.

Im Scheidungstermin trat neben der Rechtsanwältin ein weiterer Anwalt als reiner Terminsanwalt auf und es wurde der Unterhaltsverzicht und der Ausschluss des Versorgungsausgleichs protokolliert und ein Rechtsmittelverzicht erklärt.

Im Nachhinein stellte sich dann heraus, dass der Ehefrau ein Versorgungsausgleichsanspruch in erheblicher Höhe zugestanden hätte. Sie nahm daher den Terminsanwalt (der für die Tätigkeit gerade einmal 100 € brutto berechnet hatte) auf Schadensersatz in Anspruch und erhielt diesen zugesprochen. Nun nahm der Terminsanwalt die Mediatorin auf den hälftigen Betrag als Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch und erhielt zumindest vor dem Oberlandesgericht Recht.

Vom Ergebnis her geht das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart sicherlich in Ordnung. Die Begründung vermag allerdings nicht zu überzeugen. Das OLG war der Meinung, dass eine Anwaltsmediatorin zur umfassenden Aufklärung verpflichtet sei. Das ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Wie soll ein Anwaltsmediator beide Parteien ausführlich beraten?  Das verbietet einmal die Rolle des Mediators als neutrale Person. Zum anderen würde dies bedeuten, dass ein Anwaltsmediator widerstreitende Interessen wahrnehmen müsste.

Im vorliegenden Fall hat aber die Mediatorin ihre Mediatorinnenrolle und ihre Anwaltsrolle völlig vermengt. Sie war eben nicht ausschließlich als Mediatorin tätig sondern hat auch im wesentlichen das Scheidungsverfahren betrieben (was sich auch daraus ergibt, dass die Rechtsanwältin des Ehemannes von dem Honorar für die Scheidung lediglich 300 € behalten hat und den überwiegenden Betrag an die Mediatorin weitergeleitet hat). Sie hat – wie das der Kommentator in der ZKM, Prof. Dr. Fritz Jost so schön ausgedrückt hat – Scheidungsmanagement betrieben und eben nicht Mediation.

Es ist für Anwaltsmediatoren schwer, den Mediandinnen und Medianden klar zu machen, dass der Anwaltsmediator eben allenfalls allgemeine rechtliche Hinweise geben kann und keine Rechtsberatung durchführen darf. Insoweit normiert das Mediationsgesetz die Verpflichtung, die Medianden auf externe Rechtsberatung zu verweisen.

Es muss allen Mediatorinnen und Mediatoren, die zugleich als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt praktizieren,  noch einmal klar ins Stammbuch geschrieben werden, dass sie keinerlei Einzelfallberatung anbieten und durchführen dürfen. Das verbieten sowohl das Mediationsgesetz als auch das anwaltliche Standesrecht. Nicht umsponst ist auch normiert, das Rechtsanwälte bereits bei Mandatsannahme klarstellen müssen, in welcher Rolle sie tätig sind. Das ist in dem hier entschiedenen Fall offensichtlich nicht geschehen. Hierzu stellt das OLG fest: „Unstreitig schlossen die damaligen Eheleute … mit der Beklagten als Mediatorin einen Schlichtungs- oder Mediationsvertrag mit dem Ziel einer einvernehmlichen und kostengünstigen Ehescheidung, bei welchem eine Regelung über die Vermögensauseinandersetzung getroffen und ein Unterhaltsverzicht erklärt werden sollte. Dabei hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin die rechtliche Beratung der Eheleute … übernommen, für die psychologische Seite der Beratung war ein anderer Kollege der Kanzlei zuständig.“

Angesichts dieses mehr als fragwürdigen Vorgehens muss sich die Mediatorenkollegin nicht wundern, dass sie auf Schadensersatz in Anspruch genommen wurde.