Gibt es eigentlich „das Menschenbild der Mediation“? Was ist überhaupt ein Menschenbild? Jeder Mensch hat bestimmte Vorstellungen über das Verhalten und das Wesen anderer Menschen. Dieses Menschenbild wird konstruiert aus der Erziehung, den eigenen Erfahrungen mit anderen Menschen und den eigenen ethischen Vorstellungen. Hieraus entwickelt jeder sein eigenes inneres Bild der Menschen. Dieses Menschenbild leitet mein Verhalten gegenüber anderen Menschen, das bei den Menschen wieder zu Reaktionen führt, die dann mein Menschenbild wieder beeinflussen. So entwickelt jeder sein ganz persönliches Bild der Menschen.

Die Frage nach dem Menschenbild der Mediation muss daher lauten: Gibt es gewisse Grundeigenschaften eines Menschenbildes, ohne die die Tätigkeit als Mediator nicht möglich wäre? Oder umgekehrt: Gibt es Grundeigenschaften eines Menschenbildes, die die Tätigkeit als Mediator ausschlössen?

In jeder unserer Ausbildungen für Mediatoren steht daher die Selbsterfahrung zum eigenen Menschenbild ziemlich am Anfang. Oft machen sich die Menschen keine Gedanken über ihr eigenes Menschenbild. Zwar hat jeder von uns ein Menschenbild, nur ist es uns oft nicht bewusst.

Der Bundesverband Mediation hat in seinem ethischen Selbstverständnis wie folgt ausgeführt: In jedem Menschen ist das Potenzial zum Umgang mit und zur Lösung von eigenen Konflikten vorhanden. Wir vertrauen in unsere und die Kompetenz der Parteien zur kreativen Gestaltung und Verständigung im Konflikt. Wir anerkennen die Autonomie jedes Beteiligten, respektieren die Einzigartigkeit eines jeden und gleichzeitig die Vielfalt der Unterschiede, in denen wir ein besonderes Potenzial sehen.

Ich denke, in dieser Definition sind die notwendigen und unverzichtbaren Kriterien enthalten. Ein Mediator, der die Medianden nicht die Fähigkeit zugesteht, ihre Konflikte selbst zu lösen, wäre als Mediator schlicht ungeeignet. Dann sollte er eher Richter werden (sofern er denn Jurist ist), denn Juristen haben eher das Menschenbild, dass nur sie bzw. der Richter einen Konflikt lösen können.

Woran jeder Mediator denken sollte, ist insbesondere, dass die innere Einstellung Auswirkungen darauf hat, wie andere Menschen reagieren. Glaube ich nicht daran, dass die Medianden wirklich in der Lage sind, ihren Konflikt selbst zu lösen, wird genau das die selbsterfüllende Prophezeiung sein und die Mediation wird scheitern. Deshalb muss jeder Mediator bei jeder Mediation überlegen, mit welcher Einstellung er den jeweiligen Medianden gegenübertritt.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde ausschließlich die männliche Form gewählt. Gemeint sind selbstverständlich alle Geschlechter.