In der Mediation haben wir es immer mit Problemen zu tun. Konflikte sind immer ein Hinweis darauf, dass etwas geändert werden soll (muss?). Ein Problem ist laut Duden 1. eine schwierige [ungelöste] Aufgabe, schwer zu beantwortende Frage, komplizierte Fragestellung oder 2. eine Schwierigkeit.  Problemlösung ist daher die Aufgabe der Mediation (vielleicht ist der Konflikt als solcher auch bereits ein Problem?).

Es gibt einfache (zahme) Probleme (tame problems) und bösartige Probleme (wicked problems). Horst Rittel und Melvin Webber haben dies bereits 1973 entwickelt. Einfache Probleme kann man eindeutig beschreiben und es gibt immer eine Lösung. Anders bei den wicked problems:

  1. Es gibt keine endgültige Lösung für ein vertracktes Problem.
  2. Vertrackte Probleme haben keine Stopp-Regeln, da es keine Möglichkeit gibt zu wissen, dass die Lösung endgültig ist.
  3. Lösungen für vertrackte Probleme sind nicht wahr oder falsch, aber gut oder schlecht.
  4. Es gibt keinen sofortigen oder ultimativen Test einer Lösung für ein vertracktes Problem.
  5. Jede Lösung für ein vertracktes Problem ist eine „One-Shot-Operation“, weil es keine Gelegenheit gibt mittels Versuch und Irrtum zu lernen. Deswegen zählt jeder Versuch erheblich.
  6. Vertrackte Probleme haben keine Reihe von potenziellen Lösungen.
  7. Jedes vertrackte Problem ist im Wesentlichen einzigartig.
  8. Jedes vertrackte Problem kann als ein Symptom eines anderen Problems gesehen werden.
  9. Es gibt immer mehr als eine Erklärung für ein vertracktes Problem, weil die Erklärungen je nach der individuellen Perspektive stark variieren.
  10. Der Problembearbeiter hat kein Recht, falsch zu liegen und muss für sein Handeln voll verantwortlich sein.

Die meisten Probleme, mit denen wir es in der Mediation zu tun haben, entsprechen den meisten der obigen Kriterien. Denken Sie einmal an die Themen, die in der Mediation zu bearbeiten sind. Sie werden feststellen, dass es sich meist um bösartige Probleme handelt. Da es für diese keine „richtige“ Lösung gibt, kann es nur darum gehen, eine (für die Medianden) gute Lösung zu finden.

Auch gesetzliche Regelungen sind ja nur der Versuch, bei vertrackten Problemen eine Lösung vorzuschreiben. Wer Rechtsprechung beobachtet, merkt sehr schnell, dass es selbst mit Hilfe gesetzlicher Regelungen nicht gelingt, zu einer eindeutigen Lösung zu kommen. Nicht umsonst gibt es unterschiedliche Rechtsprechungen und Urteile.

Damit ist auch klar, dass Gerichte solche vertrackten Probleme nicht lösen können. Sie geben eine Lösung vor, die die Gerichte (bzw. der einzelne Richter, der den Fall zu entscheiden hat) für richtig halten, wobei der Lösungsraum durch die vom Gesetz vorgegebene Lösung etwas eingeschränkt ist.

Da die Parteien die Lösungen eines Gerichts nicht für sich als richtig anerkennen müssen, da es nicht die eine richtige Lösung gibt (wie z.B. bei einer mathematischen Aufgabe), werden sie die gerichtliche Lösung allenfalls als für sich gut oder schlecht einordnen. Meist gibt es einen Konfliktbeteiligten, der die Lösung als (zumindest halbwegs) gut einschätzt und einen anderen Konfliktbeteiligten, der die Lösung als eher schlecht beurteilt. Zufrieden sind sie in der Regel beide nicht wirklich.

Hier zeigt sich, dass Mediation für die Lösung von vertrackten Problemen weitaus besser geeignet ist. Hier können die Medianden ihre eigenen Lösungskriterien und Lösungen entwickeln. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie beide zufrieden sind, viel größer.