Können Zeugen im Zivilprozess auch telefonisch vernommen werden? Mit dieser Frage hatte sich die Berufungskammer des Landgerichts in Saarbrücken auseinanderzusetzen.

Die Parteien zweier dem Urteil zugrundeliegender Klagen hatten wechselseitig Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls geltend gemacht. Das Amtsgericht hatte in einem Verfahren mit Einverständnis der Parteien zwei im Termin nicht erschienene Zeugen telefonisch vernommen. Andere Zeugen hatten ihre Aussagen im Termin unmittelbar gemacht. Das Gericht hatte den jeweiligen Klagen nur teilweise stattgegeben. Auf die Berufung einer Partei wurden die Urteile beider nun zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Das Amtsgericht hatte einige für das Verschulden an dem Unfall maßgebliche Fragen als unaufklärbar angesehen.

Nach § 286 ZPO hat das Gericht sämtliche angebotenen Beweise auszuschöpfen und das gesamte Ergebnis der Beweisaufnahme einer umfassenden Würdigung zu unterziehen. Ziel der Beweisaufnahme ist die Prüfung, ob der Vollbeweis im Sinne der subjektiven richterlichen Überzeugung von der Wahrheit der Tatsache erbracht werden kann. Hierzu muss sich das Gericht auch mit dem Beweiswert eines Beweismittels auseinandersetzen. An die Begründung der Feststellung, dass ein Sachverhalt unaufklärbar ist, sind – so das Landgericht Saarbrücken – keine überzogenen Anforderungen zu stellen, wenn sich widersprechende Zeugenaussagen vorliegen. Unverzichtbar ist jedoch die Verschaffung des persönlichen Eindrucks von den Zeugen, wenn Aussage gegen Aussage steht. Demnach erfordere § 355 ZPO grundsätzlich die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen vor dem erkennenden Gericht. Ihr genügt die telefonische Zeugenvernehmung nicht.

Hieran ändere auch das Einverständnis der Parteien nichts. Zwar bestehe gem. § 284 Satz 2 ZPO die Möglichkeit, im Wege des Freibeweises Beweise zu erheben. Davon sei im Grundsatz auch die Möglichkeit der telefonischen Beweisaufnahme umfasst. Die Wahl der Art der Beweisaufnahme unterliege aber dem pflichtgemäßen Ermessen. Wenn eine Tatsache, die für die Entscheidung ausschlaggebend ist, festgstellt werden soll, kann ein Absehen von einer förmlichen Beweisaufnahme ermessensfehlerhaft sein, wenn vom Freibeweis genügend Aufklärung nicht zu erwarten ist oder wenn durch den Strengbeweis eine bessere Aufklärung zu erwarten ist. Generell gilt, dass ein Beweismittel, das nach seinem Beweiswert nicht zur richterlichen Beweiserhebung genügt, auch im Freibeweisverfahren nicht an die Stelle eines besseren verfügbaren Beweismittels treten darf.

Kann das Gericht aber im Freibeweisverfahren keine volle Überzeugung von der Wahrheit einer tatsächlichen Behauptung gewinnen, so hat es zu prüfen, ob es nicht über dieselben Tatsachen noch einmal Beweis im Strengbeweisverfahren erhebt.

Nur die unmittelbare persönliche Vernehmung des Zeugen eröffnet die Möglichkeit zur umfassenden Beurteilung des persönlichen Eindrucks und der Umstände der Zeugenaussage. Sie bietet damit die Garantie einer höheren Beweisqualität. Gerade bei sich widersprechenden Zeugenaussagen bedarf es einer eingehenden Würdigung der Glaubwürdigkeit der Zeugen. Diese sei nur durch einen persönlichen Eindruck von den Zeugen möglich. Dies gelte um so mehr, als einzelne Zeugen persönlich vernommen wurden und andere nur telefonisch. Demnach war es ermessensfehlerhaft, die Zeugen telefonisch zu vernehmen.

Auch unterliegt die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes nicht dem Dispositionsgrundsatz, wenn die Gewinnung des unmittelbaren persönlichen Eindrucks für eine sachgerechte Beweiswürdigung unverzichtbar ist. Die Wahrung der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme liege im öffentlichen Interesse mit der Folge, dass die Parteien hierüber nicht verfügen könnten.

Der Verstoß gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme begründet zugleich auch eine Verletzung des § 286 ZPO. Diese sei auch ohne Verfahrensrüge der Parteien nach § 529 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen.

Fundstelle: Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 18.12.2009, Aktenzeichen 13 S 111/09