9 Stufen hat das Konflikteskalationsmodell von Friedrich Glasl. Demnach eskaliert ein Konflikt, wenn er nicht gelöst wird, von der Verhärtung bis zum „gemeinsam in den Abgrund“. Wann wird üblicherweise im Verlauf einer solchen Konfliikteskalation ein Anwalt beauftragt?

Ich würde sagen, der Punkt, dass zumindest zunächst ein Konfliktbeteiligter einen Anwalt beauftragt, ist bei Erreichen der Stufe 3 in der Konflikteskalation gegeben. In den ersten beiden Stufen gehen die Konfliktbeteiligten noch davon aus, dass sie den Streit durch Diskussionen und Worte lösen können und dass die Gegenseite noch für Argumente empfänglich ist. Deshalb sehen die Parteien in der dritten Phase ihr Heil in Taten. Dabei wird zunächst nur mit der Einschaltung des Rechtsanwalts gedroht, um die andere Seite zum Nachgeben zu bewegen. Dieses Verhalten ist teilweise paradox: Selbst sind die Parteien nicht bereit nachzugeben, erwarten aber von der anderen Seite ein Nachgeben aufgrund des Drucks, den sie ausüben.

Die Einschaltung eines Anwalts kann sowohl deeskalierend als auch eskalierend wirken. Deeskalation kann eintreten, wenn seitens des Anwalts die Angelegenheit wieder auf eine weniger emotionale Ebene gebracht wird und vielleicht auch die eine oder andere unrealistische Forderung des Mandanten auf das realistisch erreichbare Maß zurechtgestutzt wird. Eskalierend wirkt die Einschaltung des Rechtsanwalts (leider) per se, da sie oft als Kriegserklärung angesehen wird und damit weiterer Streiteskalation den Boden bereitet. Hinzu kommt, dass die dezidierte und meistens emotionslose Ausdrucksweise auf die andere Partei bedrohlich wirkt. Wie oft kamen schon Mandanten mit einem Schreiben des gegnerischen Kollegen zu mir und waren außer sich ob der Unverschämtheit des Schreibens. Wenn ich das las, war es oft, wenn man die anwaltliche Ausdrucksweise kennt, eigentlich sehr weich formuliert.

Einen Vorteil hat die Einschaltung von Rechtsanwälten sicherlich gegenüber einem weiterhin unbearbeiteten Konflikt: Rechtsanwälte gehen letztlich beim Scheitern der außergerichtlichen Bemühungen um eine Lösung des Konflikts auf den Weg der formalisierten Konfliktentscheidung durch das Gericht. Damit ist dann letztlich (zunächst) der Weg zu den letzten drei Eskalationsstufen des „lose-lose“ versperrt.

Was man allerdings nicht vergessen sollte, ist, dass die Juristen letztlich Konflikte nicht lösen können, da sie sich nur mit den Positionen und nicht mit den Interessen der Parteien beschäftigen. Aber das ist ein anderes Thema, das ich hier schon behandelt habe.