Wechselt ein Autofahrer die Fahrspur und kommt es unmittelbar im Zusammenhang mit dem Fahrspurwechsel zu einem Unfall, so haftet der die Fahrspur wechselnde Fahrer auch dann für den vollen Schaden, wenn es nicht zu einer Berührung der beiden Fahrzeuge kam. So urteilte das Landgericht Saarbrücken in einem Urteil vom 12.3.2010 (Aktenzeichen 13 S 215/09).

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte wechselte im Bereich einer Autobahnauffahrt über eine schraffierte Fläche hinweg in die Fahrspur des Klägers, die auf die Autobahn führte. Das Fahrzeug des Klägers geriet gegen die linke Leitplanke und wurde hierbei beschädigt. In der ersten Instanz hatte das zuständige Amtsgericht den Beklagten aufgrund einer Haftungsquote von 50 % verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die näheren Umstände des Unfallgeschehens seien nicht mehr aufklärbar, so dass auch nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger infolge eines Fahrfehlers, der dem Beklagten nicht zugerechnet werden könne, verunglückt sei. Deshalb könne nur die Betriebsgefahr beider Fahrzeuge berücksichtigt werden, so dass die Parteien jeweils hälftig für den Unfall einzustehen hätten.

Hiergegen hatte der Kläger Berufung eingelegt. Das Landgericht hatte noch einmal Beweis erhoben und die beiden Fahrer angehört. Es kam dann zu dem Ergebnis, dass der Beklagte den vollen Schadensersatz zu leisten habe. Zunächst ging auch das Landgericht von einer Haftung beider Unfallbeteiligten gem. § 7 StVG i.V.m. § 17 StVG aus, da keiner der beiden Fahrer den Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses führen konnte. Bei der Frage der beiderseitigen Haftungsanteile sei aber zu berücksichtigen, dass der Beklagte einmal mit einer relativ geringen Geschwindigkeit von ca. 15 km/h den Fahrstreifen gewechselt habe und zum anderen habe er verbotswidrig eine Sperrfläche (§ 41 StVO Zeichen 298) überfahren sowie einen Fahrspurwechsel entgegen § 7 Abs. 5 StVO vorgenommen.

Dass dieser Fahrstreifenwechsel eine Gefährdung für das klägerische Fahrzeug darstellte und zugleich für dessen anschließende Kollision mit der Leitplanke ursächlich war, ergibt sich vorliegend aus den Grundsätzen zum Anscheinsbeweis. Jedenfalls wenn es in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel eines Fahrzeuges zu einer Kollision mit einem auf der anderen Fahrspur befindlichen Fahrzeug kommt, wird regelmäßig von einem Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Verstoß des den Fahrstreifen wechselnden Fahrzeugführers ausgegangen, so führt das Landgericht in dem Urteil aus. Auch wenn der Kläger den Zusammenstoß vermieden habe, könne nichts anderes gelten als wenn es zu einem Zusammenstoß der Fahrzeuge gekommen wäre, da der enge zeitliche und räumliche Zusammenhang mit dem Fahrspurwechsel gegeben sei. Ein Hinweis auf eine Überreaktion oder einen anderen Fahrfehler des Klägers seien nicht erkennbar.

Im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile sei beim Kläger lediglich die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Gefährlichkeit des Fahrmanövers des Beklagten und des unerlaubten Fahrspurwechsels sei es gerechtfertigt, die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs hinter dem gewichtigen Verkehrsverstoßes des Beklagten zurücktreten zu lassen und ihn für den Schaden alleine haften zu lassen.