Eigentlich ist die Frage, wer angefangen hat, für einen Mediator absolut irrelevant. Auch die Beantwortung dieser Frage würde keinen Deut zur Lösung eines Konflikts beitragen. In der Regel (von Ausnahmen abgesehen) lässt sich diese Frage auch nicht wirklich beantworten.

Fragen Sie einen der Streitenden, wird er Ihnen immer antworten: „Der Andere hat angefangen!“ Warum? Kommunikation (und Konflikte sind hoch kommunikative Vorgänge) ist immer zugleich Ursache und Wirkung. Wir sehen aber immer nur die Ursachen, die die andere Seite gesetzt hat. Dies hat bereits Watzlawick (Paul Watzlawick, Janet H. Beavin, Don D. Jackson, Menschliche Kommunikation) mit dem 3. Axiom der Kommunikation festgehalten: Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt.

Das bedeutet, dass jeder seine Verhaltensweise ausschließlich als Reaktion auf die Aktion der Gegenseite versteht, auf die er nur reagiert (und man übersieht geflissentlich, dass der eigene Beitrag zur Kommunikation wieder eine Ursache für die Reaktion der anderen Seite setzt). Dieser Vorgang läuft völlig automatisch ab. Selbst wenn man diesen Automatismus kennt, ist es schwer, ihn nicht anzuwenden (klar, dass meine Frau am letzten Streit die Schuld hatte, ich habe nur reagiert!).

Will man einen Konflikt lösen, muss man aus diesem Kreis ausbrechen. Das geht nur, indem man den Blick von der Vergangenheit zur Zukunft hin wendet. Meistens bleibt man in der Vergangenheit hängen mit Vorwürfen und Vorhalten und der eigenen Interpunktion der Kommunikation. Dies führt allenfalls zu einer Eskalation des Konflikts, nicht jedoch zu einer Lösung.

Richtet man aber seinen Blick auf die Interessen und Ziele (die in der Zukunft liegen), kommt man schnell weg vom Teufelskreis der gegenseitigen Vorwürfe hin zu einem konstruktiven Suchen nach Lösungen. Und dann spielt die Frage, wer angefangen hat, keine Rolle mehr.