Bei Verhandlungen sollte man sich immer über die beste Alternative für den Fall des Scheiterns (im Harvard-Verhandlungskonzept BATNA = best alternative to the negotiated agreement) der Verhandlungen im Klaren sein. Dasselbe gilt natürlich auch im Rahmen einer Mediation. Hier kann der Mediator den Medianden helfen, das BATNA für sich herauszufinden.

Wenn die Alternative zur Mediation in einem Rechtsstreit besteht, sollte man sich über das Prozessrisiko genau informieren. Das ist allerdings nicht so leicht. Die meisten Anwälte machen zum Prozessrisiko eigentlich immer sehr vage Aussagen: „Wir haben gute Chancen“ oder „Das Risiko ist vertretbar“. Damit kann man nicht allzuviel anfangen, zumal viele Anwälte hierbei noch (unausgesprochen) andere Vorstellungen haben, als ihre Mandanten.

In der Mediation fordere ich die Mandanten dann auf, sich von ihren Anwälten die Wahrscheinlichkeit der gerichtlichen Durchsetzung des von ihnen Gewollten in Prozentzahlen ausdrücken zu lassen. Die Medianden staunen dann meist nicht schlecht, wenn die addierten Wahrscheinlichkeiten weit über 100 % liegen (meist zusammengerechnet zwischen 140 % und 160 %).

Das liegt einmal an dem sogenannten „Overconfidence Effekt“. Dieser Denk-Irrtum bedeutet, dass wir Menschen dazu tendieren, die eigene Position wie auch die zukünftige Entwicklung zu unseren Gunsten überzubewerten. Wir brauchen nicht lange zu suchen, um viele Beispiele zu finden, wo z.B. die Bauzeit und die Kosten von Großprojekten im Vorhinein viel zu positiv bewertet wurden (siehe Flughafen Berlin-Brandenburg).

Hinzu kommt bei der Prozessrisikoanalyse, dass Menschen mit Wahrscheinlichkeiten nur schwer umgehen können und keinerlei Vorstellungen davon haben, Ein einfaches Beispiel ist das Geburtstagsparadoxon: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass auf einem Fußballplatz, auf dem sich 22 Spieler und 1 Schiedsrichter befinden, zwei oder mehrere Personen (unabhängig vom Geburtsjahr) am gleichen Tag Geburtstag haben? Schätzen Sie mal! Haben Sie geschätzt? Ja? Dann schauen Sie hier nach, wie weit Sie vom richtigen Ergebnis entfernt sind.

Es verwundert daher nicht, dass die jeweiligen Anwälte mit ihren Schätzungen falsch liegen. Die Differenz der Prognosen macht den Medianden in aller Regel klar, dass diese Aussagen mit vielen Unsicherheiten verknüpft sind und die Mediation doch der bessere Weg ist, da man hier noch selbst Einfluss auf das Ergebnis nehmen kann.

Wer sich als Anwalt mit diesem Thema etwas näher beschäftigen möchte, dem sei als Einführung dieser Artikel von Dr. Jörg Risse empfohlen.