Lissi 1Aus familiären Gründen bin ich öfters einmal in Österreich. Es fällt beim Lesen von Zeitungen auf, dass bei Artikeln, in denen es um nicht rechtskräftig abgeschlossene Ermittlungs- oder Strafverfahren immer der Satz auftaucht: „Es gilt die Unschuldsvermutung.“

Es würde auch den hiesigen Journalisten gut zu Gesicht stehen, wenn sie in ihren Artikeln über Strafsachen diesen Satz aufnehmen würden. Ich denke, auch wenn dieser Satz oft fast Formelhaft aus der Textbausteindatei eingefügt wird, er doch beim Leser haften bleibt, zumal man diesen satz des öfteren liest. Statt dessen wird bei Medienmeldungen bei uns nicht gerade der Eindruck hervorgerufen, dass es so etwas wie eine Unschuldsvermutung gibt, zumindest wohl dem einen oder anderen Journalisten nicht so recht in den Kram passt.

Offenbar sind in diesem Punkt die Gesetze Österreichs wesentlich strenger als bei uns. So ist der schutz der Unschuldsvermutung in § 7b MedienG ausdrücklich geregelt und mit Schadensersatzansprüchen verbunden.

Auch wenn sich der Grundsatz der Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, so ist in den Presseartikeln ein wirklicher Hinweis auf die Unschuldsvermutung recht selten, wie man noch aus der Berichterstattung um Christian Wukf gut in Erinnerung hat. Gesetzliche Regelungen gibt es bei uns hierzu nicht ausdrücklich. Lediglich aus Ziffer 13 des Presekodex ergibt sich eine Verpflichtung der Journalisten, die allerdings nicht so scharf gefasst ist, wie in Österreich.

Vielleicht sollte man auch bei uns einmal darüber nachdenken, eine Verpflichtung zum Hinweis auf die Unschuldsvermutung gesetzlich zu regeln, ohne dabei die Presefreiheit auszuhebeln.