Die lieben Nachbarn sorgen leider allzu oft dafür, dass die Gerichte (oft unnötig) beschäftigt werden. Das Verwaltungsgericht Saarlouis musste nun mit deutlichen Worten auch der Bauaufsichtsbehörde ins Stammbuch schreiben, dass sie sich nicht zum Büttel eines verfeindeten Nachbarn macht.

Was war geschehen? Ein Bauunternehmer hatte bereits 2006 eine Nutzungsuntersagung seines Wohnhauses zu gewerblichen Zwecken erhalten. Diese Nutzungsuntersagung war rechtskräftig geworden. Im Mai 2011 wandte sich der liebe Nachbar des Bauunternehmers an die Bauaufsicht und zwar mit einem 8-seitigen Schreiben mit einer 40-seitigen Anlage mit 79 Fotos. Aus den Angaben und Fotos ergebe sich, dass verschiedene Maschinen und Werkzeuge sowie sonstiges Betriebsmaterial im Wohnanwesen des Klägers untergebracht und gelagert würden, diese auch in ständiger Wiederkehr in die bzw. von den Firmenfahrzeugen auf- und abgeladen würden, Firmenfahrzeuge des Klägers und von Geschäftspartnern und darüber hinaus auch Privatfahrzeuge von Mitarbeitern und Kunden regelmäßig an- und abführen, es sich nicht nur um das „gelegentliche Auftauchen eines Firmenfahrzeugs handelt, wenn der Betriebsinhaber nach Hause fährt oder etwa die Mittagspause wahrnimmt“, sondern dass regelmäßig mehrere Firmenfahrzeuge gleichzeitig die Wohnadresse des Klägers anführen und das Unternehmen hier auch ansässig sei, was auch das auf dem Briefkasten angebrachte Firmenlogo zeige.

Die Bauaufsicht setzte daraufhin das in der Nutzungsuntersagung angedrohte Zwangsgeld von 500 Euro fest. Der Bauunternehmer erhob Widerspruch, den der Rechtsausschuss aufgrund einer mündlichen Verhandlung zurückwies. Der Rechtsausschuss führte aus, dass aufgrund des Dokumentationsmaterials unzweifelhaft eine funktionale Beziehung zwischen dem Baubetrieb und dem Privatanwesen des Bauunternehmers bestehe.

Hiergegen erhob der Bauunternehmer Klage und bekam vom Verwaltungsgericht recht. Er wies insbesondere darauf hin, dass diverse Baumaterialien wie etwa eine abgeladene Glastür und Douglasien-Holz für Baumaßnahmen an seinem Wohnhaus verwandt wurden.

Die Leitsätze des Verwaltungsgericht sid eine Ohrfeige für die Bauaufsicht:

  1. Die Einhaltung des öffentlichen Baurechts ist Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde, nicht des Nachbarn. Diese darf sich zur Feststellung, ob gegen eine Nutzungsuntersagung verstoßen wurde, nicht allein auf Brandbriefe und Fotos des Nachbarn stützen.
  2. Der in einer Nutzungsuntersagung verwendete Begriff „gewerbliche Nutzung eines Grundstücks“ in einem reinen Wohngebiet ist im Lichte von § 3 BauNVO auszulegen.
  3. Die Errichtung und der Unterhalt eines Wohnhauses fällt im Verständnis von § 3 BauNVO unter den Begriff „Wohnen“.
  4. Ein Bauunternehmer, dem die Nutzung seines Grundstücks zu „gewerblichen Zwecken“ untersagt ist, verstößt nicht gegen dieses Verbot, wenn er Baumaßnahmen an seinem Wohnhaus selbst durchführt oder durch eigene Beschäftigte durchführen lässt. Er muss zu diesem Zwecke keine Fremdfirmen beauftragen und darf auch betriebliche Maschinen und Werkzeug zu seinem Wohnhaus bringen und abholen lassen.
  5. Eine betriebliche Nutzung des privaten Wohngrundstücks eines Bauunternehmers liegt auch dann nicht vor, wenn dieser regelmäßig mittags, abends oder auch ansonsten nach Hause fährt oder abends Geschäftsfreunde zum Essen einlädt.
  6. Das gelegentliche Abstellen von wenigen Privatfahrzeugen von Beschäftigten eines Bauunternehmers im öffentlichen Verkehrsraum in der Nähe von dessen Wohnhaus stellt keine gewerbliche Nutzung des Anwesens dar.
    Dasselbe gilt, wenn gelegentlich im öffentlichen Verkehrsraum Werkzeug und/oder Material von einem Betriebsfahrzeug auf ein anderes umgeladen wird.

Urteil des Verwaltungsgericht Saarlouis vom 21.11.2012 Aktenzeichen 5 K 1760/11

Man kann nur wieder den Kopf schütteln, was den Nachbarn bewogen hat, so vorzugehen. Man kann auch davon ausgehen, dass der Koonflikt zwischen den beiden Nachbarn durch dieses Urteil letztlich nicht behoben ist. Der unterlegene Nachbar wird sicherlich nicht ruhen, dem anderen doch nachzuweisen, dass er gegen des Nutzungsverbot verstößt. Die nächste Dokumentation wird noch umfangreicher sein. Die Bauaufsicht wird keine Ruhe haben und wird wohl immer wieder aufgefordert werden, die Einhaltung des Nutzungsverbotes zu überprüfen. Es zeigt gerade in solchen Fällen, das ein Urteil letztlich nicht das geeignete Mittel ist, Konflikte zu lösen. Der eigentliche Konflikt zwischen den Nachbarn liegt mit Sicherheit ganz woanders. Dies müsste herausgearbeitet werden und dann könnte erst eine Lösung gefunden werden. Es reicht eben nicht, den Sachkonflikt zu entscheiden, wenn die dahinter ligenden Interessen und Emotionen nicht bearbeitet werden – aber das ist nicht Aufgabe der Gerichte! Das kann nur die Mediation bewirken. Das ist der Unterschied zwischen juristischen Verfahren und Mediation. Siehe hier.