Dieser Beitrag von Klaus-Peter Kill ist zu schade, um als Kommentar auf meinen Artikel „Selbst dran schuld!“ unentdeckt zu bleiben, deshalb hier als Gastbeitrag:

Lieber Herr Braune,

nein, die  „Bekanntmachung“  der Mediation bei Gericht ist gewiss nicht die wichtigste Aufgabe für uns Mediator(inn)en, abgesehen davon, dass wir uns mit ihr schon seit vielen Jahren beschäftigen  –  in zahllosen, unbezahlten Arbeitsstunden. Hier muss zunächst der Gesetzgeber das in vielen Punkten missratene  „Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ in entscheidenden Punkten nachbessern, nämlich durch

  1.  Abschaffung des „Güterichter“-Modells,
  2. Förderung der außergerichtlichen Mediation und der Mediation als eigenständige Berufstätigkeit durch eine Honorarordnung und Einführung einer Mediationskostenhilfe sowie
  3. Modifikation des § 127 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) dergestalt, dass sich jeder mediationsinteressierte Bürger seine(n) Mediator(in) tatsächlich frei wählen darf.

Diese Wahlfreiheit gibt es gegenwärtig im VVG leider nur für Anwälte, nicht für Mediatoren, und das diskriminiert unzulässigerweise die Nicht-Juristen unter den Mediator(inn)en und verhindert außerdem einen qualitativen Wettbewerb der Mediator(inn)en untereinander.

Und bei allen deutschen Gerichten sollte es ferner möglich sein, dass der ratsuchende Bürger Einblick  in ein nach Postleizahlen / Bundesländern / Fachgebieten durchsuchbares,  „amtliches“ Mediator(inn)enverzeichnis  nehmen kann. Dieses Verzeichnis (Vergleichbares gibt es z. B. bei unseren österreichischen Nachbarn) sollte frei von jeglichem Versuch der wirtschaftlichen Einflussnahme gehalten werden, also keine Listung resp. Anzeigenschaltung von Mediator(inn)en und Ausbildungsinstituten gegen Geld. Stattdessen müsste jede(r) Mediator(in), der/die  in das Verzeichnis aufgenommen werden will, nachweisen, welche Qualifikationen er/sie wo und wann erworben hat. Wer das nicht glaubhaft machen kann, kommt erst gar nicht ins Verzeichnis bzw. fliegt, wenn er/sie keine einschlägige Praxiserfahrung vorweisen kann, nach einem, spätestens aber nach zwei Jahren wieder raus. Das würde zudem die riesengroße Seifenblase der Mediations-Selbstdarsteller(innen) zuverlässig zum Platzen bringen und die  Als-Ob-Mediatoren“ ( Wir tun gern so, als ob wir Mediation machten “) verdientermaßen durch den Rost fallen lassen. In Österreich wird das schon seit Jahren ganz ähnlich gehandhabt, und mit Erfolg!

Der von Ihnen erwähnte Richter an einem bayrischen Gericht ist gewiss nicht zu beneiden  – angesichts einer derartigen Anzahl unerledigter Fälle. Jedoch kennt er das von mir bereits zitierte BGH-Urteil (Az. I ZR 176/06) entweder nicht, oder er will es lieber gar nicht kennen. Denn andernfalls wäre er auf die Idee gekommen, aus den zahlreichen Fällen zumindest jene auszuwählen, die mediationsgeeignet sein könnten, und diese dann an externe Mediator(inn)en zu verweisen.

Interessant ist außerdem die Tatsache, dass der betreffende Richter offenbar auch keine besonders hohe Meinung von seinen  Güterichter“-Kolleg(inn)en hat, denn sonst wäre ihm schon aus Gründen der Arbeitserleichterung die Idee gekommen, zumindest einige Fälle an sie abzugeben. Das grundlegende Problem der richterlichen Überlastung wird allerdings auch durch die  „Güterichter“-Tätigkeit nicht behoben werden können, da sie ihren Ursprung in einem unangemessenen Verständnis von  richterlicher ‚Unabhängigkeit‘  hat. Horst Trieflinger, Vorstand des Vereins gegen Rechtsmissbrauch e. V. in Frankfurt/M., schrieb dazu einmal in der FRANKFURTER RUNDSCHAU:

„Es ist zu bedauern, dass Politik und Richterschaft nicht bereit sind, die tatsächlichen Gründe der Überlastung der Justiz zu ermitteln. Vorab sind zu nennen die extensive Beschäftigung mit Bagatellfällen und die unzulängliche Organisation der Arbeitsabläufe in den Gerichten. Eine Hauptursache sind die vielen Fehlurteile, die zu unnützen Berufungen und Revisionen führen. Kenner schätzen, dass etwa 25 Prozent aller Urteile falsch sind. Eine weitere Hauptursache sind die vielen richterlichen Nebentätigkeiten: Treuhänder für Banken und Versicherungen, Leiter von betrieblichen Einigungsstellen und eine teils umfangreiche Vortragstätigkeit. Diese Nebentätigkeiten können in der Regel nur in der Arbeitszeit ausgeübt werden und zweckentfremden somit richterliche Arbeitskraft. Sie gefährden außerdem die richterliche Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG). Die Lebenserfahrung bestätigt, dass ein Richter, der Treuhänder einer Bank ist, über eine streitige Banksache dann nicht mehr unvoreingenommen urteilen kann, wenn eine Partei die Bank ist, für die er nebenher als Treuhänder tätig ist. Das Hessische Ministerium der Justiz hat für 2011 ermittelt, dass der prozentuale Anteil der Richter, die anzeige- und genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten ausübten, am Oberlandesgericht 29,5 Prozent und an den Landgerichten 18,1 Prozent betrug, an den Arbeitsgerichten 59,4 Prozent, am Landesarbeitsgericht sogar 77,8 Prozent. Die Vergütungsbeträge für Arbeitsrichter, die betriebliche Einigungsstellen geleitet haben, betrugen je Einzelfall zwischen 26.600 und 49.400 EUR. Es ist anzunehmen, dass die richterlichen Nebentätigkeiten in den anderen Bundesländern einen ähnlichen Umfang hatten. Wenn diese Nebentätigkeiten untersagt oder zumindest stark eingeschränkt und die zuvor erwähnten Justizmängel weitestgehend abgestellt würden, dann würde sich vermutlich herausstellen, dass es die behauptete Überlastung nicht gibt, die vorhandenen Richter also ausreichend sind. Dann könnte auf Absprachen im Strafverfahren größtenteils verzichtet werden. Es wäre Aufgabe der Politik, diese Missstände abzustellen. Es ist aber fraglich, ob sie dazu bereit ist “ [27.03.2013]

Aus einer DPA-Meldung, zitiert nach dem Abdruck in der FRANKFURTER RUNDSCHAU vom 11.08.2014:

(…)„Erst am Mittwoch hatte der Bayrische Richterverein vor Haftentlassungen gewarnt und zusätzliche Richterstellen gefordert. Bayerns Gerichte und Staatsanwaltschaften seien weiterhin überlastet, kritisierte der Berufsverband der Richter und Staatsanwälte. Nach der amtlichen Personalbedarfsberechnung [mit PEBB§Y, K.-P. K.] fehlten in Bayern 261 Richter und 155 Staatsanwälte.  Es drohen Haftentlassungen auch gefährlicher Beschuldigter als Folge überlanger Verfahrensdauer selbst dann, wenn Staatsanwaltschaft und Gericht so zügig wie möglich gearbeitethaben , kritisierte der Verein.“ (… )

Anlass zum Abdruck dieser Meldung war die vorläufige Freilassung eines Beschuldigten aus der Untersuchungshaft, dem Vergewaltigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung vorgeworfen wurden. Der Beschuldigte, so DPA, habe die Tatvorwürfe weitgehend eingeräumt. Er wurde aus der Untersuchungshaft entlassen, weil es dem zuständigen Gericht nicht gelungen sei, innerhalb einer auch dem Beschuldigten zumutbaren Zeitspanne Anklage zu erheben. Folglich dürfe man ihn nicht länger in der Untersuchungshaft behalten. Bis zur Eröffnung des Verfahrens sei er auf freien Fuß zu setzen.

Walter Ulbricht hätte an dieser Stelle wohl gefragt:  „Was lernt uns das, Genossen?“

Und wir?

Beste Grüße

Klaus-Peter Kill
Sprecher der DGM-Regionalgruppe NORD
www.jung-und-kill.de