In einem Beschluss vom 19.07.2012 musste sich das Oberlandesgericht Celle (Aktenzeichen 15 UF 81/12) mit der Frage der vorläufigen Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auseinandersetzen. In diesem Fall war es einem vom Gericht beauftragten Sachverständigen, der auch auf die Herstellung des Einvernehmens zwischen den Parteien hinwirken sollte, nicht gelungen, eine Konsenslösung der beiden Elternteile zu erreichen.

Wenn ich den Beschluss lese, stellen sich mir zwei wichtige Fragen:

1. Ist ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger die richtige Person, um eine einvernehmliche Lösung zwischen den Parteien herbeizuführen?

2. Wäre es in manchen Fällen nicht dienlich, wenn das Familiengericht im Vorfeld von Entscheidungen, die das Kindeswohl betreffen, den Eltern verpflichtend aufgeben könnte, den Trennungsprozess zunächst therapeutisch aufzuarbeiten?

Zur ersten Frage:
Aus dem Beschluss geht hervor, dass die Kindesmutter nicht bereit war, mit dem gerichtlich bestellten Sachverständigen zusammenzuarbeiten. Dies ist sicherlich nicht der Normalfall. Letztlich bleibt aber die Problematik, dass der Sachverständige letztlich mit seinem Gutachten das Sorgerechtsverfahren (die Aufenthaltsbestimmung ist ja bekanntlich Teil des Sorgerechts) zumindest weitgehend wenn nicht sogar allein entscheidet. Das wissen die beteiligten Elternteile. Sie werden es daher in aller Regel vermeiden, wirklich offen und vorurteilsfrei mit dem Sachverständigen an einer Lösung zu arbeiten. Sie müssen ja damit rechnen, dass alles, was im Rahmen des Versuchs der gütlichen Einigung vorgeht, bei Scheitern der Einigung im Sachverständigengutachten verwendet wird und damit die gerichtliche Entscheidung beeinflusst. Es ist daher durchaus ein positiver Ansatz, wenn das Gericht den Sachverständigen die Aufgabe mitgibt, eine einvernehmliche Einigung zu erwirken. Das sollte selbstverständlich in jedem Auftrag an einen Sachverständigen enthalten sein (wir bilden schließlich auch Sachverständige in einem IHK-Zertifikatskurs „Mediation für Sachverständige“ in mediativer Kompetenz aus). Ein Mediator hat aber den Vorteil, dass er selbst nicht entscheidungsbefugt ist (auch nicht über irgendwelche Ergebnisberichte). Das gibt den beteiligten Eltern auch den Raum und die Möglichkeit, offen über ihre Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle zu sprechen, ohne befürchten zu müssen, sich selbst im Rahmen des Gerichtsverfahrens zu schaden. Aus diesem Grunde wäre es sicherlich sinnvoll, außer dem Sachverständigengutachten auch eine Mediation anzuregen und durchzuführen.

Zur zweiten Frage:
Man erlebt immer wieder, dass die Eltern den Paar- und Trennungskonflikt auf den Schultern (oder in den Seelen) ihrer Kinder austragen und damit kaum reparable Schäden bei ihren Kindern verursachen. Den Beteiligten Richtern und oft auch den Anwälten ist durchaus bewusst, dass mit den gerichtlichen Entscheidungen lediglich an Symptomen herumgebastelt wird, das eigentliche Problem aber nicht bearbeitet wird. Das Problem könnte nur dann gelöst werden, wenn die beiden ehemaligen Lebens- oder Ehepartner die Trennungsproblematik therapeutisch bearbeiten würden. Dies können aber die Gerichte allenfalls empfehlen, ohne aus der entsprechenden Weigerung wirklich Konsequenzen ziehen zu können.  Diese Frage sollte einmal diskutiert werden. Sicher ist hier auch zu erörtern, ob eine „erzwungenen“ Therapie sinnvoll ist bzw. erfolgversprechend sein kann.

Ansonsten meine ich, dass OLG Celle angesichts der verfahrenen Situation eine durchaus vernünftige Entscheidung getroffen hat.