Paul Watzlawick, bekannt durch die 5 Axiome der Kommunikation, hat sich in dem gemeinsam mit John H. Weakland und Richard Fisch verfassten Buch „Lösungen: Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels“ auch mit Problemlösungen beschäftigt. Er unterscheidet hierbei zwischen zwei Ordnungen von Lösungen. Das sind einmal Lösungen 1. Ordnung, die sich innerhalb der Gesetzmäßigkeiten eines Systems bewegen und Lösungen 2. Ordnung, die nur außerhalb des Systems entwickelt werden können. Eine typische Lösung erster Ordnung ist ein „Mehr desselben“. In einfachen Systemen kann dies funktionieren. Wenn es kalt ist, drehe ich die Heizung höher und ich habe das Problem behoben. Bei komplexen Systemen führt ein Mehr desselben aber meist zu neuen Problemen. Eine zweite Lösungsvariante der Lösungen erster Ordnung wird von Watzlawick und Kollegen als „schreckliche Vereinfachung“ bezeichnet. Hier werden bei der Prüfung der Lösungsmöglichkeiten wichtige Faktoren nicht einbezogen. Letztlich sind die (sozialen) System derart komplex, dass die Entscheider wichtige Auswirkungen schlicht nicht wahrnehmen oder wahrnehmen wollen, weil es zu anstrengend ist, sich mit allen Auswirkungen zu befassen.

An diese Unterescheidung von Lösungen 1. und 2. Ordnung werde ich jedes mal erinnert, wenn in der Politik, sprich Bundeskanzlerin und Minsterpräsident:innen der Länder, über neue Corona-Maßnahmen beraten. Es fällt ins Auge, dass hier allein nach dem Motto „mehr desselben“ vorgegangen wird. Wenn die Inzidenzzahlen nicht unter 50 pro 100.000 Einwohner fällt, wird die Schraube weiter angedreht. Gleichzeitig wird im Wege der „schrecklichen Vereinfachung“ alles ignoriert, was an neuen Problemen und Schäden durch diese Maßnahmen entsteht. Durch die scheuklappenartige Konzentration auf die Inzidenzzahlen und die angeblich drohende Überbelastung der Kliniken, insbesondere der Intensivbetten, wird alles ausgeblendet, was an Folgeschäden auftreten kann, insbesondere Schäden in etwas fernerer Zukunft, also nicht schon morgen. Deshalb wird vorsorglich auch nur auf die Virologen gehört. Alle anderen Wissenschaften bleiben außen vor, sie würden nur verwirren. Dabei ist wohl auch den entscheidenden Politiker:innen (hoffe ich zumindest) klar, dass ein „Mehr desselben“ nicht bis ins Frühjahr oder den Frühsommer durchzuhalten ist.

Es müsste daher – auch in der Öffentlichkeit –  viel mehr darüber diskutiert werden, welch anderen Lösungsmöglichkeiten (vor allem zweiter Ordnung) es gibt. Hierbei muss man sich zunächst einmal auch klar werden, dass die Lösungen erster Ordnung nicht funktionieren (sieht man derzeit bei der Corona-Pandemie) bzw. zu Folgen führt, die nicht gewollt sind und die nicht bewältigt werden können (dto.) Es geht also darum, sich in erster Linie nicht auf die Schwierigkeit selbst, sondern auf den Prozess (Automatismus) der bisher üblichen Lösungsfindung. zu konzentrieren.

Letztendlich muss die Politik auch in dem einen oder anderen Fall auch einräumen, dass sie nicht jedes Problem lösen kann, weil die politischen Lösungen durch Ge- und Verbote schlicht nicht funktionieren (können). Das hat sich z.B. oft bei Terroranschlägen gezeigt. Reflexhaft werden höhere Strafen oder mehr Investitionen in den Sicherheitsapparat (Mehr desselben) verlangt. Tatsächlich lassen sich hierdurch die Terrorakte nicht wirklich ausschließen.

Umgang mit Komplexität und komplexen Problemen ist das in der Mediation der Normalfall. Oft kommen die Mediand:innen mit ihren Lösungen erster Ordnung in die Mediation. Die Mediation konzentriert sich zunächst auf den Lösungsweg. Sie macht hierdurch den Weg frei für Lösungen zweiter Ordnung.