Natürlich nicht! Es wäre vermessen, als Mediator zu behaupten, dass es für jeden Konflikt eine Win-Win-Lösung gibt (das ist eine Lösung, bei der beide Seiten gewinnen). Überall dort, wo es um Verteilungskonflikte geht und die Ressourcen tatsächlich begrenzt und knapp sind, wird es nicht möglich sein, eine Win-Win-Lösung herbeizuführen.

Oft ist aber ein Verteilungskonflikt nur scheinbar streitauslösend. Im berühmten Apfelsinenbeispiel (nein ich schreibe es hier nicht zum x-ten Mal, googeln Sie danach, Sie bekommen massenhaft Fundstellen) handelte es sich z.B. nicht um einen echten Verteilungskonflikt. Es muss gelegentlich eben genau definiert werden, was die Parteien wünschen bzw. welche Interessen sie haben. Eruiert man genau, was die Parteien wollen, stellt sich in dem Beispiel heraus, dass die eine die Schale benötigt, die andere das Fruchtfleisch. Es gibt daher keinen Verteilungskonflikt.

Genau dies herauszuarbeiten, ist Aufgabe des Mediators. Die Konfliktbeteiligten können es in der Regel nicht, da sie zu sehr in ihren Positionen (Ich will die Apfelsine haben!) verfangen sind. Ein wichtiges Werkzeug hierfür ist die Frage nach dem wozu statt nach dem warum.

Ist die Mediation gescheitert, wenn es keine Win-Win-Lösung gibt? Nein, natürlich nicht. Es gibt eine Abstufung von möglichen Lösungsoptionen. Die nächste Stufe wäre die „kleine“ Win-Win-Lösung, bei der die Beteiligten ihre Interessen nicht zu 100% erfüllen können, aber zumindest beide gleich viel gewinnen. Sollte trotz aller Kreativität auch hier keine Lösung gefunden werden, käme die No-Win-No-Lose-Lösung in Frage, bei der keiner gewinnt und keiner verliert. Danach überprüft man, ob es eine „kleine“ Lose-Lose-Lösung gibt, bei der beide gleichermaßen verlieren. Scheitert auch diese Möglichkeit, sollte man versuchen, zumindest die Regeln eines fairen Kampfes festzuschreiben, z.B. eine Schiedsklausel oder aber die Möglichkeit, ein Gericht entscheiden zu lassen (keinesfalls sollte aber der Mediator als Schiedsrichter fungieren). Erst wenn auch diese Möglichkeit ausgeschöpft ist, ist die Mediation gescheitert.

Der Mediator muss aber darauf achten, dass immer genau geklärt wird, was als Gewinn bzw. Verlust gewertet wird. Im apfelsinenbeispiel ist der Verlust der Schale für die eine Beteiligte kein Verlust, für die Andere ist der Verlust des Fruchtfleisches kein wirklicher Verlust.