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Mediation & Sichtweise

Jeder nimmt unterschiedlich wahr

Die Titelfotos machen es deutlich: Dasselbe Motiv kann nur durch Verändern der Belichtung ganz anders aussehen, obwohl das abgebildete Motiv sich nicht verändert hat, ebenso wie die Beleuchtung unverändert blieb. Welches Foto ist jetzt das „richtige“? Das lässt sich nicht erkennen. Genauso, wie der Sensor des Fotoapparats die Belichtung unterschiedlich gespeichert hat, genauso geht es oft uns Menschen. Wenn zwei Menschen das Motiv in natura gesehen hätten, hätten sie möglicherweise (oder besser sehr wahrscheinlich) auch zwei völlig unterschiedliche Wahrnehmungen des Motivs abgespeichert. Keine dieser Wahrnehmungen wäre falsch sondern subjektiv immer richtig.

Über Sichtweisen lässt sich nicht streiten

Dies ist einer der gravierenden Unterschiede zwischen Mediation und einem Gerichtsverfahren. Im Gerichtsverfahren versucht das Gericht im Wege der Beweiserhebung den „wahren“ Sachverhalt herauszufinden. Den nimmt es dann zur Grundlage der Entscheidung bzw. der Anwendung des Gesetzes. Ganz anders die Mediation. Richter erkennen oft nicht, dass ihre Version des Ergebnisses der Beweisaufnahme wiederum eine individuelle Sichtweise (der Richterin) darstellen.

Wir Mediator*innen gehen davon aus, dass jede Konfliktbeteiligte eine eigene Sichtweise auf den Konflikt und seine Ursache und seinen Verlauf hat. Es ist normal, dass diese Sichtweisen erheblich voneinander abweichen. In der Mediation geht es darum, dass die Beteiligten erkennen, dass jeder seine Sichtweise hat und haben darf. Oft verändern sich Wahrnehmungen einer Situation bereits dadurch, dass ein Beteiligter die Sichtweise der anderen Beteiligten in der Mediation hört und aufgrund dessen Situationen anders bewertet.

Sichtweisen wahrnehmen

Zunächst einmal werden die Beteiligten in der Mediation die jeweilige Sichtweise des anderen wahrnehmen. In der Regel haben die Konfliktbeteiligten sich vorher nicht zugehört oder aber ihre Sichtweise nicht wirklich artikuliert. Hier sorgt die Mediatorin dafür, dass jeder Konfliktbeteiligte seine Sichtweise auf den Konflikt einmal ungestört darlegen kann. Der Mediator wird sich auch vergewissern, ob dies beim anderen Beteiligten auch ankommt.

Sichtweisen verstehen bzw. zulassen

Letztlich geht es darum, Sichtweisen des anderen zu verstehen. Dies bedeutet nicht, dass ich sie als richtig anerkenne. Aber du musst nicht mehr darüber streiten, welche Sichtweise richtig ist. Vielmehr kannst du deinem Gegenüber seine Sichtweise lassen, genauso wie er dir deine Sichtweise lassen kann. Let’s agree to disagree – einig sein, dass man unterschiedliche Sichtweisen hat. Wenn die am Konflikt beteiligten Personen wahrnehmen, dass ihre jeweilige Sichtweise von der anderen Partei gesehen und sie ihnen belassen wird, so ist der Weg frei, auch die eigenen Bedürfnisse und Interessen zu äußern. Das Anerkennen unterschiedlicher Sichtweisen schafft die Vertrauensgrundlage, die wir brauchen, um dann die jeweiligen Interessen und Bedürfnisse herauszuarbeiten.

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Für uns Mediatorinnen und Mediatoren gilt: Wir sind alle in erster Linie Menschen, unabhängig vom Geschlecht. Deshalb versuchen wir, die Texte Geschlechterneutral zu formulieren. Dort, wo dies stilistisch oder grammatisch nicht möglich ist, wechseln wir den Genus nach Belieben. Es sind aber immer alle Geschlechter gemeint.

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