Perspektivenwechsel ist ein von Mediatoren gern genutztes Werkzeug, das gegenseitige Verständnis für den jeweiligen Konfliktpartner zu fördern und so den Weg für einen Konsens zu ebnen. Beim Perspektivenwechsel versetzt man sich in die Rolle und Position eines anderen hinein und versucht einen Sachverhalt aus dessen Sicht und Standpunkt zu sehen. Perspektivenwechsel ist auch eine gute Methode, sich auf eine Verhandlung vorzubereiten.

Neuere Forschungen haben aber ergeben, dass ein Perspektivenwechsel durchaus auch kontraproduktiv sein kann. Das Program on Negotiation der Harvard Law School berichtet hier auf dem Blog von Forschungen über das Verhalten bei Perspetivenwechsel. Nicholas Epley von der University of Chicago und Eugene Caruso und Max Bazerman von der Harvard University haben hierzu einige Experimente durchgeführt. Die Probanden sollten die faire Teilung einer knappen Ressource bestimmen. Die eine Hälfte (die Selbst-Bezogene) wurden gefragt, wie viele zu nehmen für sie fair wäre. Die andere Hälfte (die Fremd-Bezogene) wurde gefragt, wieviele für den anderen fair wäre zu nehmen. Wie zu erwarten war, war es für die selbstbezogene Gruppe fair, mehr von der knappen Ressource zu nehmen, während die andere Gruppe weniger wollte.

Dann wurde von den Forschern überprüft, was die Probanden nun tatsächlich tun, wenn sie mit der Aufteilung einer knappen Ressource konfrontiert sind. Es ging um die Aufteilung von Schokoladeplätzchen. Die theoretische Frage nach der Aufteilung wurde wie oben beantwortet. Tatsächlich nahmen aber die fremdbezogene Gruppe mehr von den Plätzchen als die Selbstbezogenen.

Wie das? Die Forscher erklären das damit, dass, wenn wir die Perspektive der anderen betrachten, wir davon ausgehen, dass sie selbstsüchtiger handeln und uns dies wiederum veranlasst, uns selbst wiederum egoistischer zu verhalten. Die Forscher meinen daher, dass der Perspektivenwechsel mit Vorsicht genutzt werden sollte. Es könnte sein, dass es einem nicht gefällt, was man im Kopf des anderen sieht.

Perspektivenwechsel ist zwar nach wie vor ein gutes Mittel, Verhandlungen in der Mediation voranzubringen. Man sollte sich aber der Gefahren bewusst sein.