Im Blog Rechtslupe wird hier auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 12.12.2011 (6 B 96/11) hingewiesen, in dem die Richter mit viel Hunde(sach)verstand über die Gefährlichkeit eines Boxermischlings entscheiden.

Als Hundehalter freut man sich über das Maß an Sachverstand, mit dem die Entscheidung begründet ist. Was war vorgefallen: Eine Frau geht mit ihrem Jack-Russel-Terrier an dem uneingezäunten Grundstück G vorbei, auf dem die Eheleute I den Boxer-Mix des Antragstellers beaufsichtigen. der Boxer-Mix läuft auf die Straße und es kommt zwischen den Hunden zu einer Rauferei, nachdem die Frau den Jack-Russel abgeleint hat. Hierbei wird der Terrier marginal am Ohr verletzt. Herr I kann dann die Hunde problemlos trennen. Der Ehemann des Jack-Russel-Frauchens zeigt den Vorfall mit einer stark verkürzten Sachverhaltsdarstellung beim Amt an. Obwohl der Halter des Boxer-Mischlings darauf hinweist, dass es sich um eine normale (artgerechte) Rauferei gehandelt habe und auch der Jack-Russel nicht abgelassen habe, nachdem Herr I die Hunde getrennt habe, stuft die Behörde den Boxer-Mix als gefährlichen Hund im Sinne des § 7 Abs. 1 NHundG ein. Hiergegen wendet sich die Klage und der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO, über die in dem Beschlluss zugunsten des Hundehalters des Boxer-Mischlings entschieden wurde.

Das Verwaltungsgericht weist zunächst darauf hin, dass die Behörde eine gesteigerte Aggressivität des Hundes feststellen muss. Dies sei eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust oder Schärfe. Die Gefährlichkeit eines Hundes ergebe sich demnach aus einer über das „artgerechte“ Potential von Hunden hinausgehenden Aggressivität eines Hundes. Diese gesteigerte Aggressivität sei dann zu prüfen, wenn es einen Beißvorfall gegeben habe. Es sei aber dann zu hinterfragen, ob dieser Ausdruck einer nicht mehr artgerechten gesteigerten Angriffslust, Kampfbereitschaft oder Schärfe sei. Wenn die Behörde dies ohne Einschaltung eines veterinämedizinischen Sachverständigen aufgrund ihrer allgemeinen Lebenserfahrung beurteile, dürften sich das nicht in Widerspruch zur einschlägigen natur-, vor allem verterinärwissenschaftlichen Erkenntnislage setzen, deshalb müsse die allgemeine Lebenserfahrung insoweit notwendigerweise von einem ausreichenden „Hundeverstand“ geprägt sein.

Es reiche auch der begründete Verdacht auf gesteigerte Aggressivität aus. Ein solcher Verdacht sei hier allein schon aufgrund der Aktenlage nicht gegeben. Die von wechselseitigen Aggressionen geprägte Begegnung beider Hunde entspreche – so das VG – vielmehr den natürlichen und artgemäßen Verhaltensweisen von Hunden, ohne dass die Besorgnis einer das natürliche Maß übersteigenden Kampfbereitschaft oder Angriffslust oder gar die von der Behörde angenommene Verletzungsabsicht berechtigt erschiene.

Es sei Normalverhalten, dass ein Hund zu einen am Grundstück vorbeilaufenden Hund Kontakt aufnehmen wolle. Die Angaben, dass sich die Hunde drohend gegenüber standen, solange der Jack-Russel-Terrier angeleint war, sei ein normales Hundeverhalten. Aus der Tatsache, dass die körperliche Auseinandersetzung der Hunde erst eingesetzt habe, als der Jack-Russel-Terrier abgeleint wurde, spreche eher dafür, dieser könne – entsprechend seiner als „kühn und furchtlos“ beschriebenen Rasemerkmale – einem jagdhundlichen Temperament folgend selbst aktiv die körperliche Auseinandersetzung gesucht haben.

Das Gericht bezieht sich hierbei ausdrücklich auf Dr. Helga Feddersen-Petersen, Ausdrucksverhalten beim Hund.

Demnach geht das Gericht davon aus, dass sich der angefochtene Bescheid aller Voraussicht nach als rechtswidrig erweisen werde.

Es macht Freude, als Halter von zwei Hunden eine derart sachkundig begründete Entscheidung eines Gerichts zu lesen. Die Entscheidungen, die man sonst im Zusammenhang mit Hunden zu Gesicht bekommt, liegen eher auf dem Sachkunde-Niveau von „Peter und der Wolf“!