Für die meisten Mandanten ist es schwierig, Behauptungen der Gegenseite, deren Beweisangebote und das was dann in der Beweisaufnahme wirklich herauskommen mag, auseinanderzuhalten. Wenn die Gegenseite einen Zeugen als Beweis für irgendeine Behauptung anbieten, sind die Mandanten dann oft irritiert und fragen, wie der Zeuge dazu kommen könne, diese Behauptung aufzustellen. Man muss dann dem Mandanten erklären, dass man jeden für jede Behauptung als Zeugenbeweis anbieten kann. Eine ganz andere Frage ist, was später bei der Beweisaufnahme tatsächlich herauskommt.

Lehrstück war für mich vor Jahren ein Fall eines Boutiquebetreibers, der einer Frau ein nicht billiges Kleid verkauft hatte. Kurz darauf erschien die Dame in der Boutique und bemängelte, das Kleid sei mangelhaft und völlig überteuert. Ein mit der Frau und deren Ehemann befreundeter Polizist drohte sogar eine Strafanzeige wegen Betrugs an. Die Dame erhob dann auch Klage und bot als Beweis für die Mangelhaftigkeit des Kleides Beweis durch Zeugnis ihres Ehemannes an. Auch hier kam der Mandant und echauffierte sich, wie der Ehemann behaupten könne, das Kleid sei mangelhaft.

In der Beweisaufnahme erschien dann der Ehemann auch als Zeuge. Auf die Frage des Richters, was denn an dem Kleid nicht in Ordnung sei, meinte der Ehemann, das Kleid sei eigentlich in Ordnung, er finde nur, dass das Dekolleté für seinen Geschmack ein wenig zu tief ausgeschnitten sei. Damit war die Angelegenheit zugunsten meines Mandanten geklärt und er hatte den Unterschied zwischen Beweisangebot und Beweisergebnis verstanden. (Ob der Ehefrieden durch diese Aussage gelitten hat, weiß ich nicht, ist aber anzunehmen)

Also: Papier ist geduldig und Beweisangebote sind schnell abdiktiert. Was die Zeugen dann wirklich aussagen, steht auf einem ganz anderen Blatt (und das sollte man bei den eigenen Beweisangeboten gelegentlich vorher überprüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass hier größere Diskrepanzen auftreten könnten).