Was haben anwaltliche Schriftsätze mit Gehirnforschung zu tun? Im Normalfall überhaupt nichts. Aber Schriftsätze werden besser wahrgenommen und verstanden, wenn man manche Ergebnisse der Gehirnforschung beachtet.

Informationseinheiten (Chunks) werden zuerst vom Menschen im Ultrakurzzeitgedächtnis (auch sensorischer Speicher genannt) gespeichert. Hier halten sie sich allenfalls 2 Sekunden. Hier findet auch eine Vorprüfung statt. Es kann immer nur ein Reiz den Kanal der Aufmerksamkeit durchlaufen. Diese Aufmerksamkeitsprüfung kann bewusst und unbewusst durchlaufen werden.

Erst dann erreicht die Information das Kurzzeitgedächtnis. Hier ist Platz für 7 plus/minus 2 Informationseinheiten. Diese werden nach der Reihenfolge des Eingangs gespeichert. Wird die Zahl überschritten, werden die älteren Inhalte gelöscht. Diese Informationseinheiten können aus einzelnen Zahlen, Worten oder auch ganzen Sätzen bestehen, wenn diese nicht zu lang sind. Ziel eines Schriftsatzes muss es daher sein, die Komplexität des Sachverhaltes und der rechtlichen Subsumption zu reduzieren. Dies geht nur durch Strukturieren eines Schriftsatzes, wobei die Strukturierung sich wieder an der Zahl 7 orientieren muss, damit der Leser den Schriftsatz schnell begreifen kann.

Was bedeutet das alles für die Gestaltung von Schriftsätzen? Zunächst sollten Schriftsätze klar gegliedert sein und zwar in Strukturen, die die im Kurzzeitgedächtnis zu speichernden Informationseinheiten nicht übersteigt. Die Gliederung darf daher 7 Punkte in einer Gliederungsebene nicht überschreiten, besser sind Maximal 5 Gliederungspunkte.

Zumindest eine Aufteilung in die Sachverhaltsschilderung und rechtliche Ausführungen sollte daher vorgenommen werden. Dies sollte bereits an entsprechenden Überschriften klargestellt werden oder auch durch einführende Sätze, in denen die dem Schriftsatz zugrunde liegende Gliederung dargelegt wird.

Zunächst ist eine historische Abfolge der Sachverhaltsdarstellung für den Leser einfacher zu verstehen. Dies liegt daran, dass die Menschen in Geschichten denken. Auch hier können Zwischenüberschriften bei längeren Sachverhalten das Erfassen durch den Leser fördern. Zum Abschluss kann noch einmal der Sachverhalt zusammengefasst werden, wobei sich die Zusammenfassung an der rechtlichen Würdigung orientieren sollte.

Handelt es sich um eine Klageerwiderung ist es regelmäßig sinnvoll, sofern nicht nur die rechtliche Einordnung eines unstreitigen Sachverhaltes im Streit steht, nochmals den historischen Ablauf zu schildern. Beweisangebote können nur in diesem Teil des Schriftsatzes erfolgen.

Der rechtliche Teil ist ebenfalls nach Anspruchgrundlagen und  deren Voraussetzungen zu untergliedern. Das Verständnis wird auch hier durch eine Gliederung durch Zwischenüberschriften erhöht.

Der Leser wird den Schriftsatz besser begreifen, wenn er nicht aus langen Schachtelsätzen besteht. Die Begrenztheit des Kurzzeitgedächtnisses führt dann dazu, dass der Anfang des Satzes bereits im Nirwana ist, wenn man den letzten Teil des Schachtelsatzes erreicht. Kurze knappe Sätze fördern das Verständnis. Eigentlich ist dies eine Selbstverständlichkeit. Mancher Anwaltsschriftsatz wird jedoch mit Füllwörtern aufgebläht und beraubt sich so seiner Wirkung.

Genauso versteht der Leser aktive Formulierungen weitaus besser als die üblichen Passivsätze. Was der Verfasser mit Verben ausdrücken kann, sollte er nicht mit Substantiven tun („Der Schuldner zahlte nicht.“ ist besser als „Eine Zahlung des Schuldners blieb aus.“). Auch habe ich noch keinen Grund gefunden, warum sich die Prozessbevollmächtigten immer selbst in der dritten Person bezeichnen (schlimmstenfalls als „der Unterzeichneten“). Warum schämen sie sich denn sich als „ich“ oder „wir“ zu bezeichnen?

Der Text ist auch leichter lesbar, wenn die einzelnen Absätze nicht länger als 6 Zeilen sind. Dies zwingt auch dazu, den Gedankengang zu strukturieren.

Letztlich sollte der Verfasser natürlich den Schriftsatz auf die Adressaten ausrichten. Adressat eines Schriftsatzes ist einmal der/die Richter, natürlich der Gegner und dessen Prozessbevollmächtigter und der eigene Mandant. Das bedeutet, dass der Schriftsatz so verfasst sein muss, dass er nicht nur von den beteiligten Juristen sondern auch von den Laien, insbesondere dem eigenen Mandanten verstanden wird. Dieser muss das Gefühl haben, dass sein Anwalt ihn voll und ganz verstanden hat.