Eisbergmodell nach Besemer

Eisbergmodell nach Besemer

Das Eisberg-Modell bei der Konflikt-Forschung besagt, dass der Sachkonflikt, um den gestritten wird, in der Regel nur die Spitze des Eisbergs darstellt, die über der Wasseroberfläche zu sehen ist (Christoph Besemer, Mediation – Vermittlung in Konflikten, 8. Aufl. 2001). Der größere (und gefährlichere) Teil des Eisbergs befindet sich unter der Wasseroberfläche – oder auf die Kommunikation bzw. den Konflikt übertragen – unter der Oberfläche der Kommunikation. Hier finden sich die Motivationen für den Sachkonflikt. Unter der Oberfläche befinden sich die Interessen, Bedürfnisse, Wünsche. Gefühle, Werte, Beziehungen, Strukturen, alte Geschichten, Missverständnisse, intrapersonale Probleme, Sichtweisen und vieles mehr. Diese Motivbündel, derer sich die Beteiligten oft nicht bewusst sind, werden unter dem Deckmantel des Sachkonfliktes ausgetragen.

So wird in Trennungs- und Scheidungskonflikten über Sachthemen wie Zugewinnausgleich und Unterhalt intensiv gestritten. Eigentlicher Grund des Streits ist aber oft nicht das Bedürfnis nach höherer (bzw. geringerer) Zahlung von Zugewinnausgleich und Unterhalt. Letztlich geht es z.B. um den Ausgleich von Verletzungen während der Ehe, oder um den Wunsch, zumindest im Rahmen der Auseinandersetzung noch Kontakt mit dem (ehemaligen) Partner zu haben. Oft stellt der Jurist dann  zu seinem Erstaunen fest, dass sich die Freude seines Mandanten oder Mandantin selbst bei einem optimalen Ergebnis in Grenzen hält. Warum? Weil zwar der Sachkonflikt gelöst oder entschieden ist, der eigentlich dahinter stehende, unter der Oberfläche liegende Konflikt nicht bearbeitet wurde.

Aufgabe der Juristen ist es aber, Sachthemen zu lösen bzw. der zur Entscheidung berufenen Stelle (in der Regel dem Gericht) zur Entscheidung vorzulegen und entsprechend aufzubereiten. Auch der Richter (er ist ja auch Jurist) beschäftigt sich ausschließlich mit dem Sachkonflikt. Seine Begeisterung hält sich daher in Grenzen, wenn der Prozessbevollmächtigte seitenlange Ausführungen über die unter der Oberfläche liegenden Motive seiner Partei macht. Das Gesetz orientiert sich in aller Regel auch am reinen Sachkonflikt (nur ausnahmsweise spielen Motivationen im Gesetz eine Rolle).

Die Bearbeitung des Sachkonflikts auf juristischem Weg ist daher zur Lösung eines Konflikts denkbar ungeeignet, es sei denn, der Konflikt bestünde tatsächlich nur aus dem Sachkonflikt. Dies dürfte jedoch nur in Ausnahmefällen so sein.

Sicherlich bewirkt auch die Lösung oder Entscheidung des Sachkonflikts eine gewisse Beruhigung des Gesamtkonflikts, da im Moment das Vehikel zur Konfliktaustragung – der Sachkonflikt – wegfällt (es sei denn, man kann noch Rechtsmittel einlegen). Wie man insbesondere aus Nachbarschaftskonflikten weiß, wird es den Parteien schnell gelingen, einen neuen Sachkonflikt zu finden, um den unausgesprochenen Konflikt weiterzubetreiben.

Die Alternative zur juristischen Konfliktbearbeitung stellt die Mediation dar. Ein zentraler Punkt der Mediation ist es, die hinter dem Sachkonflikt stehenden Interessen herauszuarbeiten. Nur so ist es möglich, zu einer echten Konfliktlösung zu gelangen.