Scheppernd hörte ich meinen Namen und den meiner Arbeitgeberfirma aus dem Lautsprecher neben der Tür zum Sitzungssaal des Arbeitsgerichts. Mit einem flauen Gefühl folgte ich meiner Anwältin (es könnte auch ein Mann sein) in den Sitzungssaal. Na ja, der Richter (es könnte auch eine Frau sein) sah ja ganz sympathisch aus. Nachdem die Rechtsanwälte, der Vertreter der Personalabteilung meines Arbeitgebers und ich Platz genommen hatte, trug der Richter kurz den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt vor. Eigentlich wurden nur die Fakten vorgetragen. Worum es mir und meiner Vorgesetzten (es könnte auch ein Mann sein) bei der Auseinandersetzung, die letztlich zu der Kündigung führte, eigentlich ging, nämlich unsere Gefühle, blieben völlig außen vor. Der Richter machte zunächst uns klar, weshalb es unwahrscheinlich ist, dass wir die Kündigungsschutzklage gewinnen. Dann bekam die andere Seite auch ihr Fett weg. Dann schlug der Richter einen Vergleich mit Abfindung vor. Nun denn, meine Rechtsanwältin hatte mir bereits vorausgesagt, dass es so enden würde. Die Gegenseite willigte ebenfalls ein. Der Richter diktierte den Vergleich in sein Diktiergerät und spielte das ganze noch einmal vor. Dann war die Sache beendet. Eigentlich blieben meine wirklichen Bedürfnisse völlig auf der Strecke. Meine Arbeit war ich los und gut, vier Monatsgehälter Abfindung ist ja auch nicht zu verachten. Gibt es eigentlich keine bessere Art Konflikte im Unternehmen zu lösen?

Szenenwechsel:
Zusammen mit meiner Vorgesetzten verlasse ich das Büro der Mediatorin (könnte auch ein Mediator sein). Wir sind uns einig, dass es eine super Idee der HR-Abteilung war, uns eine Mediation vorzuschlagen um unseren Konflikt zu lösen. Wir zweifelten am Anfang daran, dass es der Mediatorin gelingen würde, wieder Frieden einkehren zu lassen. Wir trafen uns zunächst mit der Mediatorin in einem Restaurant zu einem Abendessen. Die Mediatorin war uns schnell sehr sympathisch. Sie erklärte uns, wie die Mediation ablaufen und was uns erwarten würde. Wir stellten bereits kurz dar, worin der Streit besteht. Am nächsten Morgen war ein Einzelgespräch mit mir angesetzt. Die Mediatorin forderte mich auf, meine Sicht auf den Konflikt zu erläutern. Sie hörte mir aufmerksam zu und stellte gelegentlich verständnisfragen und wiederholte meist zusammengefasst, was bei ihr angekommen war. Sie hatte in dem Mediationsraum noch drei andere Stühle stehen. Sie bat mich dann auf den Stuhl neben mir und bat mich, einmal die Sache aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten zu sehen. Das war schon ungewohnt. Aber mit Hilfe der Mediatorin konnte ich mich in diese Rolle hineinversetzten. Dann sollte ich mich auf den Stuhl gegenüber meinem Stuhl setzen und in die Rolle meiner Vorgesetzten schlüpfen. Uff, das war ungewohnt und schwer. Die Mediatorin half mir hierbei und anschließend nahm ich zu dem Konflikt aus der Sicht meiner Vorgesetzten Stellung – in ich-Form. Dann wechselte ich wieder zurück in meine eigene Rolle und konnte erwidern. So wechselte ich ein paar Mal die Rolle, ohne dass ein Lösungsfortschritt zu erkennen war. Die Mediatorin fragte mich dann, wie oft ich die Rollen noch wechseln könnte, bis eine Lösung herbeigeführt wäre. Nun, wahrscheinlich noch viele Male. Daraufhin fragte mich die Mediatorin, was ich verlieren würde, wenn die Vorgesetzte ihre Position durchsetzen würde.  Ich verstand die Frage erst nicht. Nachdem mir die Mediatorin ein paar weitere Fragen gestellt hatte, wurde mir klar, dass es mir letztlich um hauptsächlich um Anerkennung geht und ein wenig um Freiheit. Nach erneutem Platzwechsel sollte ich diese Frage aus der Sicht meiner Vorgesetzten beantworten. Ich meinte, dass es um Macht und auch um Anerkennung gehe. Zum Abschluss bat mich die Mediatorin noch darum, bis zum Treffen am nächsten Morgen zwanzig Ideen zur Lösung des Konflikts zu überlegen, die sowohl meine Interessen als auch die meiner Chefin berücksichtigen würden.

Für den Nachmittag hatte die Mediatorin ein Treffen mit meiner Vorgesetzten vorgesehen. Am nächsten Morgen trafen wir uns zu dritt im Mediationsraum. Wir schrieben beide unsere Lösungen jeweils auf ein Flipchart. Ich hatte nur 12 Ideen und keine 20, aber das war in Ordnung. Außerdem teilten wir unsere in der gestrigen Sitzung gefundenen Interessen der jeweils anderen Partei mit. Überrascht stellten wir fest, dass einige Lösungsideen identisch waren. Wir suchten nun diejenigen heraus, die für uns beide in Ordnung waren und die Mediatorin schrieb dies auf ein Flipchart, das meine Vorgesetzte und ich unterschrieben.

Ich hätte nie geglaubt, dass eine Lösung des Konflikts so schnell zu erzielen wäre. Durch dieses Vorgehen der Mediatorin können wir nun wieder gut zusammenarbeiten.

Benefit für das Unternehmen

Der Prozess hätte das Unternehmen bei einem Bruttogehalt von 4.200 € rund 2.700 € gekostet. Hierzu kommt noch die Abfindung von 4 Monatsgehältern, das sind noch einmal 16.800 €. Konservativ geschätzt kostet die Beschäftigung der Personalabteilung für die Kündigung und den Prozess mindestens 600 €. Die Personalsuche ist mit 1.200 € sicherlich nicht hoch angesetzt und die Einarbeitung und die damit verbundene Minderleistung einer neuen Kraft ist mit 14.400 € zu berechnen. Außerdem ist für die Zeit der Kündigungsfrist (drei Monate) mit einer Minderleistung der bisherigen Kraft zu rechnen. Bei 30% Minderleistung wäre das ein weiterer Betrag von 3.780 €. Insgesamt hätte das Unternehmen einen Schaden von fast 40.000 €!

Für einen Mediator muss das Unternehmen für 2 Tage mit ca. 3.000 € bis 4.000 € rechnen. Hinzuzurechnen ist der Arbeitsausfall der Mitarbeiterin und der Chefin mit insgesamt ca. 1.000 €. Mit dem Abendessen müsste das Unternehmen daher etwas mehr als 5.000 € aufbringen. Angesichts des oben berechneten Schadens für eine Kündigung ein Schnäppchenpreis.