In jeder Verhandlung stellt sich die Frage nach der Verhandlungsmacht. Verhandlungsmacht ist das Vermögen einer Partei seine eigene Position ohne Rücksicht auf die andere Partei durchzusetzen.

Diese Verhandlungsmacht kann zum einen beruhen auf der rechtlichen Position. Ein Konfliktbeteiligter, der weiß, dass er seine Position bei Gericht durchsetzen kann, hat möglicherweise weniger Interesse an einer kooperativen Lösung.

Weiterhin kann die Einstellung der an der Verhandlung Beteiligten zum Risiko Einfluss auf die Verhandlungsmacht haben. Ein Konfliktbeteiligter, der eine größere Risikobereitschaft hat, wird gegenüber einer risikofeindlichen Partei im Vorteil sein.

Verhandlungsmacht kann auch davon bestimmt werden, welche Partei eher in der Lage ist, die Transaktionskosten, dass sind die im Verlauf der Verhandlung entstehenden Kosten, zu tragen. So kann zum Beispiel ein Ehemann in einer Scheidungsmediation dadurch, dass er zunächst überhaupt keinen Unterhalt zahlt, den Einigungsdruck bei der Ehefrau erhöhen.

Öffentlichkeit kann ebenfalls ein Kriterium für Verhandlungsmacht sein. Manche Konflikte sind in starkem Maße öffentlichkeitswirksam. Die Partei, die die Reaktion der Öffentlichkeit fürchtet, wird ihre Verhandlungsmacht gegenüber der anderen Partei schwächen.

Selbstverständlich kann Verhandlungsmacht auch auf Hierarchien beruhen. Dies gilt vor allem bei Mediationen innerbetrieblichen Bereich.

Letztlich wird die Verhandlungsmacht natürlich auch bestimmt durch die strategischen und taktischen Fähigkeiten der Parteien.

Nur in Ausnahmefällen dürfte es vorkommen, dass Verhandlungsmacht tatsächlich gleichmäßig verteilt ist. Es ist Aufgabe des Mediators, im Rahmen der Mediation dafür zu sorgen, dass sich Verhandlungsmacht nicht zum Nachteil der schwächeren Partei auswirkt.

Das Mittel der Wahl ist hier, mit den Parteien die jeweilige BATNA (best alternative to the negotiated agreement), d.h. die beste Alternative zum verhandelten Gegenstand (Fisher, Ury, Patton, Das Harvard-Konzept), herauszuarbeiten. Viele Konfliktparteien gehen in einer Verhandlung, ohne sich vorher Gedanken darüber zu gemacht zu haben, welche Alternativen bestehen. Sie bestreiten daher ihre eigene Verhandlungsmacht und ihren Verhandlungsspielraum. Es lohnt sich daher, im Rahmen der Mediation mit den Parteien die jeweiligen Handlungsalternativen durchzugehen.

Sollte die Verhandlungsmacht einer Partei allerdings darauf beruhen, dass sie über große strategisch-taktische Fähigkeiten verfügt, so ist es Aufgabe des Mediators, durch seine Gesprächsführung für einen Ausgleich zu sorgen. Gegebenenfalls muss der Mediator auch dafür sorgen, dass die unterlegene Partei externer Berater hinzuzieht.

Letztlich muss natürlich immer geprüft werden, ob die Verhandlungsmacht einer Partei so überwiegend ist, dass Mediation letztlich nur noch als Feigenblatt dient. In diesem Fall muss der Mediator dann die Durchführung der Mediation abbrechen. Wenn sich in einer innerbetrieblichen Mediation zum Beispiel herausstellt, dass auf der Vorgesetzten Ebene die Entscheidungen bereits gefallen sind und diese dem Mitarbeiter nur noch im Rahmen der Mediation schmackhaft gemacht werden sollen, dann ist für Mediation kein Raum mehr. Dies sollte allerdings bereits im Rahmen der Auftragsklärung offen gelegt werden