Die Legal Tribune Online berichtet hier in ihrer gestrigen Ausgabe über die Vordenkerin der virtuellen Anwaltskanzleien in den USA. Dort ist es bereits ein vielfach anzutreffender Trend, Kanzleien nur noch als virtuelle Kanzlei im Internet zu betreiben. Es gibt dort mittlerweile auch ein großes Angebot an entsprechender Software bzw. Angebote als Software as a Service (SaaS) für die virtuellen Kanzleien. Dem steht (derzeit noch?) das Standesrecht entgegen. Nach § 27 BRAO hat der Rechtsanwalt eine Kanzlei einzurichten.

Die Entwicklung hin zu virtuellen Kanzleien wird sicherlich anhalten. Je stärker die „digital natives“ in entscheidende Positionen kommen und je größer ihr Anteil an der Bevölkerung wird, desto mehr wird auch das Angebot virtueller Kanzleien bzw. die anwaltlichen Dienstleistung über das Web nachgefragt werden.

Dies setzt auch voraus, dass die bisherigen Vorbehalte der Anwälte gegen Speicherung der Daten von Akten und Mandanten abgebaut werden. Wenn man bedenkt, dass die Anwaltschaft ursprünglich auch starke Vorbehalte gegen Faxgeräte hatte, weil die Informationen über das (Telefon-) Netz übertragen wurden, so werden sich sicherlich auch die Bedenken gegen Auslagerung von Daten reduzieren (natürlich ist Datenschutz zu beachten, es dürfen aber keine übertriebenen Anforderungen daran gestellt werden).

Eine zweite Entwicklung in den USA, die bei uns noch nicht so richtig wahrgenommen wird, ist das „unbundling“ von legal services. Dies bedeutet, dass der Anwalt nicht mehr den gesamten Fall bearbeitet, sondern an den „Do-it-yourself“-Mandanten nur Teile der anwaltlichen Leistung ausliefert und das zu möglichst festen (und erschwinglichen) Pauschalpreisen, den Rest erledigt der Mandant dann selbst. Stephanie Kimbro hat hier ein e-book darüber veröffentlicht.

Beispiel hierfür wäre, dass der Anwalt nur die Klageschrift fertigt, die der Mandant dann im eigenen Namen beim (Amts-) Gericht einreicht und er nimmt dann auch die Verhandlungen selbst wahr. Oder der Anwalt überprüft die Unterlagen zur Scheidung und der Mandant nimmt wieder selbst (ohne Anwalt) den Scheidungstermin wahr (geht bei uns natürlich nur beim Antragsgegner). Oder der Anwalt überprüft nur den Vertragsentwurf und der Mandant verhandelt selbst. Gerade diese abgetrennten Dienstleistungen können gut über eine virtuelle Kanzlei abgewickelt werden, ohne dass der Mandant ein persönliches Gespräch mit dem Anwalt führt.

Auch diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren auf die hiesige Anwaltschaft zukommen und es ist sicherlich nicht verkehrt, sich hierüber ein paar Gedanken zu machen. Ein „weiter wie bisher“ wird es auch im anwaltlichen Dienstleistungssektor nicht geben.